Bevorzugte Behandlung

betr.: „Nicht jeder kann vom Chefarzt behandelt werden“, Streitgespräch zwischen Karl Lauterbach (SPD) und Volker Leienbach (Chef der PKV), taz vom 23. 10. 07

Ausgerechnet in einem der sensibelsten Bereiche menschlicher Existenz, der Gesundheit, gibt das deutsche System privilegierten Gruppen die Möglichkeit, sich der Solidargemeinschaft zum eigenen Nutzen zu entziehen! Trotz aller Propaganda der Privaten Krankenversicherungen (PKV) kann doch wohl an der Existenz bevorzugter Behandlung von Privatpatienten keinerlei Zweifel bestehen. Es ist den Ärzten sogar hoch anzurechnen, dass die Zustände in Wartezimmern und Krankenhäusern nicht noch schlimmer sind, angesichts der Verlockung einer mehr als doppelt so hohen Bezahlung für Privatpatienten gegenüber Kassenpatienten bei identischen Leistungen! Karl Lauterbach hat völlig recht, eben diese ungleiche Bezahlung vereinheitlichen zu wollen, um Ärzten schlicht die Motivation für Bevorzugungen zu nehmen. Dies zur Ausgabenseite.

Der zweite wesentliche Fehler, die Beschränkung der Pflichtversicherung auf Nichtprivilegierte, offenbart sich im wichtigsten Werbeargument der privaten Krankenversicherer: der Ersparnis von Beiträgen! Beiträgen zur Deckung der Hauptrisiken, nämlich Alters- und chronische Krankheiten, die vor allem die AOK-Versicherten zu schultern haben. Pikanterweise werden diese auch innerhalb der PKV nicht solidarisch getragen, denn Alte und Kranke werden kräftig zur Kasse gebeten! Perfiderweise sind Privatversicherte durch die so genannte „Altersrückstellung“ de facto für immer an ihren einmal gewählten Tarif gebunden, da diese beim Verlassen in Gänze zugunsten der restlichen Tarifgemeinschaft verfällt. Eine Abzocke, die lange bekannt ist.

Es geht nicht um die „Zerschlagung“ der PKV, sondern lediglich um die Beseitigung himmelschreiender Ungerechtigkeit im System der Bezahlung von Ärzten und Kliniken sowie beim Tarif- und Versicherungswechsel innerhalb der PKV. Und vor allem geht es um die Herstellung einer solidarischen Finanzierung der großen gesundheitlichen Risiken durch allgemeine Pflichtversicherung.

WINFRIED SCHNEIDER, Düsseldorf