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Archiv-Artikel

In kopulierender Bewegung

betr.: „Hüstel, hüstel“, der Pianist Keith Jarrett gab ein Solo-Konzert, taz vom 23. 10. 07

Als ich auf der Titelseite die Ankündigung der Besprechung des Frankfurter Konzertes von Keith Jarrett sah, musste ich unwillkürlich lachen. Im Juli war Jarrett mit Trio in der Philharmonie Essen zu hören. Das Konzert war im Januar längst ausverkauft. Mit etwas Glück, dachte ich, stellt irgendein Trottel seine Karten bei Ebay ein. In der Tat fanden sich da zwei Karten für exzellente Plätze. Noch fünf Tage Zeit, darauf zu bieten, und das Gebot lag bei über 650 Euro.

Den Trottel musste ich zurücknehmen, ebenso wie meine Lust, auf dieses Konzert zu gehen. Jarrett ist selbst schuld, wenn er sich ständig mit einem Publikum konfrontiert sieht, durch das er sich belästigt fühlt, da es scheinbar nicht sein Verständnis von Kunst teilt: Ökonomisches fällt nicht zwingend mit kulturellem Kapital zusammen. Der eigentliche Tenor des Publikums ist da nicht ein leises Hüsteln, sondern der Smalltalk: „Es war ja nicht ganz billig, das muss man zugeben, aber wissen Sie, das ist ja schließlich Keith Jarrett, also ein ganz Großer, den muss man mal gesehen haben!“

Jarrett hat viele großartige Sachen gemacht. Aber während er auf der Bühne rockt, in kopulierenden Bewegungen eins wird mit dem Instrument, kann er da vom Publikum verlangen, wie nicht existent dazusitzen, nicht auch selbst in Ekstase zu geraten? Was dieser Mann macht, ist Jazz. Das hat etwas mit Freiheit zu tun. Und mit Freude. Nicht mit einer patriarchalischen Herrschaft des göttlichen Künstlers über die andächtig lauschenden, aber die eigene Herrlichkeit nur störenden Vasallen. Jarrett sollte sich lieber wieder mitsamt seiner Depression in sein Studio verkriechen und auf Milderung im Alter hoffen. PABLO VON FRANKENBERG, Tübingen