DIE KATHOLISCHE LANDJUGEND FÜHLT SICH NICHT GESEHEN UND VIELLEICHT STIMMT DAS SOGAR, ABER DAS MÜSSTE SIE NICHT DARAN HINDERN, ZU MERKEN, DASS ES ANDEREN NOCH SCHLECHTER GEHT
: Beleidigte Jugend

Foto: Lou Probsthayn

KATRIN SEDDIG

Das bischöfliche Hilfswerk Misereor eröffnet im Osnabrücker Dom St. Petrus an diesem Sonntag die jährliche Misereor-Fastenaktion. Im Mittelpunkt stehen philippinische Fischerfamilien, deren Leben durch Klimaveränderung und Überfischung besonders bedroht ist. Im Zusammenhang mit der Fastenaktion finden viele kleinere und größere Veranstaltungen statt, es wird über Hilfsprojekte informiert und es werden vor allem Spenden gesammelt.

Die katholische Landjugend hat sich bisher immer beteiligt, jetzt ist die katholische Landjugend aber sauer auf das Hilfswerk, weil das Hilfswerk Sachen macht, die der katholischen Landjugend nicht gefallen. So hat sich das bischöfliche Hilfswerk am Rande der Grünen Woche einer Demonstration einer Bewegung angeschlossen, die sich „Wir haben es satt“ nennt, und die den Stopp von Massentierhaltung – „Tierfabriken“ –, Gentechnik und TTIP fordert.

Die Bewegung sieht sich selbst auf der Seite der Bauern, bio und auch konventionell, es geht ihnen um Umwelt- und Tierschutz. Aus irgendwelchen Gründen gefällt das der katholischen Landjugend nicht. Sie hat nicht so viel übrig für die Gegner von Massentierhaltung, Gentechnik und TTIP. Sie möchte, dass das Hilfswerk, anstatt so einfach gegen solche Sachen zu demonstrieren, vorher besser in den Dialog mit der katholischen Landjugend tritt.

Vielleicht, damit das Hilfswerk versteht, dass die Massentierhaltungsbauern gar nicht böse sind. Die Bauernjungen sehen sich nämlich als Mobbingopfer der Gesellschaft. Teilweise würden sie sogar in der Schule angegriffen, wegen ihrer Herkunft. Teilweise würden sie als Naturzerstörer gesehen oder gar als Tierquäler.

Die katholische Landjugend möchte, dass das katholische Hilfswerk Misereor jetzt mal kommt, um sich bei ihr zu entschuldigen. Man überlege sich, wie eine solche Entschuldigung auszusehen hätte: „Entschuldigt bitte, dass wir an der industriellen Massentierhaltung Kritik geübt haben, wir werden in Zukunft im Dialog mit den Landjugendlichen herausfinden, dass die Massentierhaltung eigentlich doch ganz schön ist.“ Okay. Das ist polemisch. Entschuldigt, liebe Landjugendlichen von Osnabrück.

Die katholische Landjugend findet eine andere Bewegung viel besser, die heißt: „Wir machen euch satt.“ Da wehren sich die Landwirte gegen die ganzen Unterstellungen und fordern, dass ihre Leistungen anerkannt werden. Dass es in Deutschland seit siebzig Jahren keinen Hunger mehr gebe, das sei allein Verdienst der Landwirte. Da will ich nichts gegen sagen. Die meisten Landwirte arbeiten auch ganz schön viel, das bestreitet keiner, nur warum sehen sie sich auf der Seite der Agrarindustrie und nicht auf der Seite der Kritiker?

Warum sehen sie nicht, dass der Fehler im System liegt, dass ihnen ihre Produkte zum Niedrigstpreis abverlangt werden, so dass sie teilweise gar nicht mehr unter tierfreundlichen Bedingungen produziert werden können?

Warum sind Umwelt- und Tierschutz nicht überhaupt auch ihre Interessen? Und was ist das für eine katholische Landjugend, die jetzt nicht für philippinische Fischerfamilien spenden will, weil sie sich von einer gesellschaftlichen Bewegung gemobbt fühlt, die sich für gerechtere Verhältnisse sowohl für Tiere als auch für Landwirte einsetzt?

Dialog ist natürlich immer gut. Aber kann die katholische Landjugend nicht selber lesen und denken und sich informieren? Gibt es da Zweifel an der Richtigkeit von Zielen wie Stopp von Tierfabriken, Gentechnik und TTIP? Sind das fragwürdige Ziele?

Und selbst wenn Landjugendliche sich durch eine allgemein schlechtere Stimmung gegen die konventionelle Landwirtschaft gemobbt fühlen, sollten sie sich dann nicht trotzdem mit den Leuten solidarisieren, die andere Bedingungen wollen, eine verträglichere Landwirtschaft, fairere Preise? Geht es ihnen nur um ihr persönliches Beleidigtsein oder um gesellschaftliche Gerechtigkeit?

Katrin Seddig ist Schriftstellerin und lebt in Hamburg, ihr neuer Roman „Eine Nacht und alles“ erscheint im März 2015. Ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen.