: SPD-Parteitag: eine reine Show
betr.: „SPD spielt Linkspartei“, taz vom 29. 10. 07
In ihrem verzweifelten Kampf gegen Mitgliederschwund und miserable Umfragewerte haben die PR-Strategen und Parteitagsregisseure der SPD ganz auf die suggestive Wirkung von Symbolen gesetzt. Ein Karikaturist brachte es schon vor Hamburg auf den Punkt: „SPD – ab sofort wieder sozial!“ Allzu offensichtlich sollte dies die Botschaft des dreitägigen Spektakels werden. Es war ein Parteitag der Schizophrenen: Einerseits empörte man sich zu Recht darüber, dass hierzulande 2,6 Millionen Kinder in Armut leben, Altersarmut zunimmt, Leiharbeit und prekäre Arbeitsverhältnisse zur Norm werden und Arbeitgeber inzwischen hemmungslos die Löhne drücken. Andererseits wurde man nicht müde zu versichern, dass an der Agenda-Politik festgehalten werde, an jener „Reform“politik also, die für genau diese Wirkungen verantwortlich ist!
Es war ein Parteitag der Ungereimtheiten: Wenn richtig ist, dass Aufschwung und Rückgang der Arbeitslosigkeit auch und vor allem auf die „Arbeitsmarktreformen“ von Rot-Grün zurückzuführen sind, dann ist es widersinnig, diese jetzt partiell zurückzunehmen und ALG I für ältere Arbeitslose länger zu bewilligen (Beck-Sprech: „Hartz IV weiterentwickeln“). Im Gegenteil: Gerade in einer Phase, wo der Aufschwung an Fahrt verliert, müssten nach dieser Logik die Bezugsdauer weiter verkürzt und die Regelsätze gesenkt werden, damit der Druck zunimmt, den die Arbeitslosen angeblich brauchen.
Man merkt es schnell: Der öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzte und zum „Richtungsstreit“ aufgeblasene Dissens zwischen Beck und Münte, mitsamt seinem (vorhersehbaren) Ende: eine reine Showveranstaltung! Motto: Leute, seht her, bei uns ist die Sozialdemokratie ausgebrochen. Eine Mehrheit von im Kern opportunistischen Delegierten wollte wohl ein bisschen Opposition spielen und die Illusion verbreiten, man könne, ohne sich lächerlich zu machen, das neoliberale Programm des Sozialabbaus organisieren und gleichzeitig für die Kritik daran zuständig sein.
HERMANN TAUBENBERGER, Holdorf