: Und im Abgang: bodenständig
HOPFEN Bier zum Fisch? Passt. Besser noch als Weißwein, meinen manche Brauereien – und ihre Sommeliers. Ein Test
■ Das gibt’s: Je nach Größe der Zanderfilets braucht es 80 bis 120 Gramm Blutwurst, die mit einem Eigelb und 30 bis 50 Gramm Butter mit dem Handrührgerät zu einer Creme gerührt werden. Dazu kommen 50 bis 60 Gramm Paniermehl. Ein paar feingewürfelte, in Olivenöl angeschwitzte Schalotten machen sich gut, sind aber, je nach Würzgrad der Blutwurst, kein Muss. Die Zanderfilets in Butter heiß anbraten, bis sie fast gar sind. Dann mit der Blutwurstkruste bestreichen und unter dem Grill überbacken.
■ Das muss: Dazu passt eine Portion mildes Sauerkraut – und ein süffiges (Bock-)Bier. Guten Appetit!
AUS GÖRLITZ STEFFEN GRIMBERG
Stimmt da etwa etwas nicht? Kritisch hält Matthias Grall das Glas ins Licht, prüft den Inhalt und seine Farbigkeit, schnüffelt, riecht noch mal nach – nein, alles gut. Nicht auszudenken, wenn sich heute schon beim Aperitif Fehltöne eingeschlichen hätten.
Wobei: Kork kann dieses Getränk nicht haben. Denn obwohl es um den Eröffnungstrunk – und danach um ein mehrgängiges, 35 Euro teures Menü mit der passenden flüssigen Begleitung – geht, perlt da kein Sekt oder Wein im Glas. Okay: Perlen tut es schon ganz schön, mit dezent üppiger Schaumkrone sogar. Grall prostest der Runde zu, setzt an. Die Gruppe Durstiger tut’s ihm nach. Der erste Schluck rinnt in die Kehlen. Absetzen. Staunendes Grinsen auf den Gesichtern: Selten hat ein Bier so interessant geschmeckt.
Und nur auf den allerersten Blick passen die kleinen Gläser, die ihren großen Weizenschwestern und -brüdern nachempfunden sind, nicht wirklich zur festlichen Tafel. Kein Weißweinkelch, keine bauchige Rotweinwanne versperrt den Blick auf den Teller, im Restaurant des Görlitzer Hotels Tuchmacher geht es heute ausschließlich ums Bier. Wem dazu „Wurst“ oder andere einfältige Gerstensaftbegleiter einfallen, liegt allerdings daneben. Auf den Aperitif des Hauses, das bodenständig-bierige Kir Bourgeois, das zwar nicht ganz ohne Cassis, aber völlig ohne Champagner auskommt, folgt als Vorspeise eine gebratene Jakobsmuschel auf Ananascarpaccio mit Rucola-Limettensorbet.
Helles zur Jakobsmuschel
Wem dabei die Lust auf Weißburger im Munde zusammenläuft, dem kann auch von Matthias Grall geholfen werden, im übertragenen Sinne zumindest: Nichts Dunkelschweres, sondern ein „Extra Hell“ darf es zur im wahrsten Sinne meeres-fruchtigen Vorspeise schon sein.
Grall ist der Sommelier des Abends, ein Biersommelier versteht sich. Da ist dann nicht ganz so viel die Rede von „Nase“ und „Blume“ und „Abgang“ und „Körper“, das Angenehme am Bier ist schließlich, dass man die ganze Weinlyrik mit ihren überquellenden Assoziations-Obstkörben („Apfel!“, „Aprikose!“, „Pfirsichmajacurazitrone!“) und Anleihen aus der Parfümwerbung („Tabak!“, „Leder!“ „Katzenpisse!“) getrost im Schrank lassen kann. Um Geschmack geht es nach wie vor, aber zum Schmecken, nicht zum Angeben: Wein hat vielleicht Struktur. Bier hat dafür Schaum. Und ein äußerst unterschätztes Eigenleben, was seine Geschmacksnuancen angeht – und deren Fähigkeit, große Essen zu begleiten.
Grall kennt sein Bier vermutlich noch ein bisschen besser als die besten Sommeliers ihre Weine. Er hat es nämlich selbst gebraut, im Hauptberuf ist Grall Braumeister bei der Görlitzer Landskron-Brauerei. Die hatte, wie viele Brauereien in Ostdeutschland, zu volkseigenen DDR-Zeiten gar nicht genug Bier produzieren können und dann zeitweise unter der Marktwirtschaft gelitten. Heute kokettiert sie – Jahresausstoß: 16.000 Hektoliter – damit, eher in der Riege der kleinen Spezialitätenbrauereien zu spielen, wenn auch ganz selbstbewusst als eine der größten „Brau-Manufakturen“ des Landes. Zum Vergleich: Oettinger, der Marktführer im unteren Preissegment, schwemmte 2009 mit knapp 6,6 Millionen Hektolitern auf den Markt, eine Marke wie Krombacher kommt mit allen Sorten auf über 5 Millionen.
Über die Massenprodukte, die andere in sieben Tagen als „Schnellbier“ durch den Brauprozess jagen und bei denen am Schluss noch die Hefe ausgequetscht wird, um ein paar Liter mehr zu verkaufen, kann sich Grall nicht genug aufregen. Namen und Marken nennt er nicht, bis auf die, die ihm zwischen Vorspeise und Hauptgang doch rausrutschen. „Bitte nicht so arg breit treten“, sagt er dann und schnüffelt wieder am Glas.
Das Menü ist mittlerweile beim Grundnahrungsmittel angelangt: Auch Sachsen ist Pilsner-Land, der glacierte Schweinebauch mit Pfifferling-Lauchsalat, der das Vollbier begleitet, gehört zu den nicht ganz so ausgefallenen Schmankerln. Netterweise passt aber das zuvor genossene Extra Hell dazu – und das hat offenbar wenig Alkohol. Grall verschafft Durchblick: das Extra Hell ist ein sogenanntes Schankbier, also etwas leichter und mit nur 3,5 Volumenprozent gesegnet. Das Pils hat seine normalen 4,8 Prozent. Alles klar? Prost!
Und natürlich geht da noch mehr: Der nächste Gang verheißt Fisch, doch wer nun endgültig Richtung Weißweinflaschen schielt, die für den normalen Restaurantbetrieb nebenan hin und her bewegt werden, hat die Rechnung ohne den Biersommelier gemacht: Auch unser Zander will schwimmen – in Bier, und zwar richtig süffig-aromatischem. Beim Zander ist auch Sauerkrautstrudel mit im Spiel, also her mit dem Gold Bock und seinen über 6 Prozent Alkohol.
Dunkles zum Zander
Das geht runter wie, ähem: schöner, fetter Grauburgunder. Zum Glück hat Grall das nicht gehört.
Wäre da noch die Frage, wann ein Bier nach aktueller Gesetzeslage ein Bier ist. „Pupen Schultzes Schwarzes“ ist es jedenfalls nicht, weshalb das kaffeekaramellige Gesöff mit dem betörenden Malzduft im Menüplan auch bloß als „Brauspezialität“ auftaucht. Erfunden hat es der anscheinend legendäre Braumeister Schultze aus Cottbus, nur seine zugesetzten Süßstoffe fügen sich nicht dem deutschen Reinheitsgebot. Aber hatte da nicht der Neuzeller Bierstreit mit dem „Schwarzen Abt“, der zu zuckrig war, nun aber doch Bier heißen darf, die Karten neu gemischt? Grall winkt ab: egal, die Neuzeller Bierposse spielte in Brandenburg, wir sind hier in Sachsen. Bier ist wohl Landesrecht, was gut zur föderalen Vielfalt passt.
Dann, endlich, ist der Nachtisch da. Zum Tiramisu – ein Bier, bitte – ist doch klar.