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Archiv-Artikel

Bouffier nennt NSU-Vorwürfe eine „Unverschämtheit“

HESSEN Nach neuen Enthüllungen findet Schwarz-Grün Untersuchungsausschuss aber doch richtig

Es habe ihnen nie an Aufklärungswillen gemangelt, beteuern CDU und Grüne jetzt

BERLIN taz | Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) bestreitet die schweren Vorwürfe gegen sich und den hessischen Verfassungsschutz im Zusammenhang mit dem Mord des NSU in Kassel. Es sei eine „Ungeheuerlichkeit“ und eine „Unverschämtheit“ zu unterstellen, dass der hessische Verfassungsschutz vorab Hinweise auf den Mord in Kassel gehabt, die Behörde dies gedeckt und er als damals zuständiger hessischer Innenminister dies „gebilligt oder gar unterstützt“ habe, sagte Bouffier am Dienstag.

Am Wochenende waren neue Mitschnitte der Telefonüberwachung beim hessischen Verfassungsschützer Andreas T. bekannt geworden. Dieser hatte sich während des Mordes an Yozgat am Tatort, einem Internetcafé in Kassel, aufgehalten. Zur Aufklärung einer möglichen Verstrickung war sein Telefon von der Polizei abgehört worden. Die neu bekannt gewordenen Mitschnitte werten Nebenkläger im Münchener NSU-Prozess als Indiz dafür, dass Mitarbeiter des Verfassungsschutzes „bereits vor dem Mord an Halit Yozgat konkrete Kenntnisse von der geplanten Tat, der Tatzeit, dem Tatort, dem Tatopfer und den Tätern hatten“.

Zu diesen neuen Sachverhalten könne er inhaltlich nichts sagen, versicherte Bouffier in Wiesbaden. Er kenne nicht einmal die von der Presse zitierten Beweisanträge der Nebenklage. Er halte es aber für notwendig, dass jetzt „alle Umstände lückenlos und rasch aufgeklärt werden“, sagte der CDU-Politiker: „Ich habe nichts zu verbergen.“ Natürlich sei er auch bereit, als Zeuge im NSU-Prozess in München auszusagen.

Angesichts der Tragweite der Vorwürfe schwenkten die Koalitionsfraktionen von CDU und Grünen im hessischen Landtag in ihrer Haltung zum Untersuchungsausschuss um. Schwarz-Grün hatte im Frühjahr 2014 nicht für das Aufklärungsgremium votiert, sondern sich in der Abstimmung enthalten. Nun teilten beide Fraktionen in einer gemeinsamen Erklärung mit, es sei „gut“, dass die „ungeheuerlichen“ Vorwürfe auch mit den Mitteln eines Untersuchungsausschusses durchleutet werden könnten. Im vergangenen Jahr sei man davon ausgegangen, „es sei alles ausermittelt“. Mit den neuen Vorwürfen hätten sich „die Voraussetzungen für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses inzwischen geändert“. Ihre Enthaltung in Bezug auf den Untersuchungsausschuss sei aber „nie Ausdruck von mangelndem Aufklärungswillen gewesen“, beteuerten CDU und Grüne. „Leider ist hier bei einigen ein falscher Eindruck entstanden.“

CDU- und Grünen-Fraktion plädieren nun dafür, den entsprechenden Komplex im Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag vorzuziehen.