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Archiv-Artikel

Unbeliebter Meiler

KLIMAKILLER Am Wochenende will Vattenfall sein umstrittenes Kohlekraftwerk in Moorburg in Betrieb nehmen. Das wird den CO2-Ausstoß Hamburgs um 50 Prozent erhöhen. Für Vattenfall dürfte sich der Betrieb dank zahlreicher Auflagen nicht mehr rentieren

Kraftwerk Moorburg

Das Steinkohlekraftwerk in Moorburg an der Süderelbe wurde seit Ende 2007 vom Energiekonzern Vattenfall errichtet.

■ Investition: Rund drei Milliarden Euro.

■ Verbrauch: Fast 12.000 Tonnen Steinkohle täglich.

■ Leistung: Zwei Blöcke mit jeweils 827 Megawatt.

■ Wirkungsgrad: 46,5 Prozent.

■ Kohlendioxid-Ausstoß: Rund 8,5 Millionen Tonnen CO2 jährlich.

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Am kommenden Wochenende will der Energiekonzern Vattenfall voraussichtlich sein Steinkohlekraftwerk in Moorburg mit zunächst einem Block in Betrieb nehmen. Das erklärte Unternehmenssprecherin Karen Kristina Hillmer. Der zweite Block solle Ende Juni 2015 den Betrieb aufnehmen. Dann würde das Kraftwerk rein rechnerisch fast ganz Hamburg mit schmutzigem Strom versorgen können.

Ursprünglich sollte der Meiler, der seit Februar 2014 im Probebetrieb läuft, schon im vorigen Jahr ans Netz gehen. Drei Mal jedoch wurde die Inbetriebnahme verschoben. Zur Höhe der Einnahmeverluste durch die Verzögerungen macht Vattenfall keine Angaben.

Dem Kraftwerk war 2007 vom CDU-Senat eine vorläufige Baugenehmigung erteilt worden. Unter der nachfolgenden schwarz-grünen Regierung scheiterten die Grünen mit ihrem Versuch, die Genehmigung zurückzuziehen. Und so war es die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk, die das „CO2-Monster“ aus juristischen Gründen genehmigen musste. Ihre Partei und die Koalition führte das in eine Krise. Schließlich waren die Grünen mit „Kohle von Beust“-Plakaten und dem Versprechen in den Wahlkampf gezogen, dass es mit ihnen kein Kohlekraftwerk geben wird. Hajduk, nun Bundestagsabgeordnete, wurmt die damalige Entscheidung: „Ich halte das Kraftwerk immer noch aus politischen, ökologischen und auch wirtschaftlichen Gründen für nicht überzeugend und schon gar nicht für nachhaltig.“

Die Genehmigung des Kraftwerks versah die Grüne jedoch mit teuren ökologischen Auflagen wie einen zusätzlichen Kühlturm und Einschränkungen bei der Kühlwasserentnahme aus der Elbe. Dadurch sinkt der Wirkungsgrad auf 46,5 Prozent und der Gewinn laut früheren Unternehmensangaben um neun bis 16 Millionen Euro pro Jahr. Und so ist aus dem Konzern inzwischen das Eingeständnis zu hören, dass „wir das Kraftwerk heute nicht mehr bauen würden“.

Öffentlicher Höhepunkt der Auseinandersetzungen waren vor fünf Jahren die Proteste gegen eine Fernwärmeleitung durch Altona. Vattenfall wollte seine Heizrohre durch einen Park führen und 400 Bäume fällen. Obwohl der Konzern versprach, 1.200 neue Bäume zu pflanzen, war die Gegenwehr groß. Mitten im Winter wurden etliche Bäume drei Monate lang besetzt, Dutzende Menschen campierten in Baumhäusern. Nach monatelangem Streit stoppten Gerichte das Projekt, Vattenfall gab den Plan auf.

Auch im SPD-Senat ist die anfängliche Begeisterung für das Kraftwerk abgeklungen. Noch im Sommer 2013 hatte Bürgermeister Olaf Scholz von dem „hochleistungsfähigen, hocheffizienten und hochlukrativen Kraftwerk“ geschwärmt. Im „SPD-Regierungsprogramm 2015 – 2020“ zur Bürgerschaftswahl am 15. Februar wurde der Meiler nur noch mit einem einzigen Satz erwähnt: „Nach langer Vorlaufzeit geht das 2008 genehmigte Kraftwerk Moorburg jetzt ans Netz“ – Begeisterung klingt anders. Im grünen Wahlprogramm wurde Moorburg keines Wortes gewürdigt, auch in den laufenden Koalitionsverhandlungen ist der Meiler kein Thema mehr.

Bekämpft von Umweltverbänden und Grünen wurde das Kraftwerk vor allem wegen seiner Emissionen an Kohlendioxid. Im Vollbetrieb wird es etwa 8,5 Millionen Tonnen CO2 in die Luft blasen. Damit würden die Hamburger Emissionen von rund 18 Millionen Tonnen um etwa die Hälfte erhöht. Wie das politische Ziel erreicht werden soll, den Ausstoß des Klimakillers in der Stadt bis 2020 im Vergleich zum Basisjahr 1990 um 40 Prozent zu senken und bis 2050 um 80 Prozent, bleibt offen.

Anfang November entschied das Hamburger Verwaltungsgericht auf Klage eines Bürgers, die Stadt müsse „in den Luftreinhalteplan Maßnahmen aufnehmen, die zu einer möglichst schnellen Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid führen sollen“. Denn seit 2010 verstößt Hamburg permanent gegen die EU-Grenzwerte für die Schadstoffbelastung der Atemluft. Die Stadt hat Revision eingelegt.

Klimaziele und Luftreinhalteplan indes werden Thema der rot-grünen Koalitionsverhandlungen sein. Grünes Mindestziel muss es sein, sich hier weitestgehend durchzusetzen und die Leitung der Umweltbehörde zu übernehmen.