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Archiv-Artikel

Senator mauert am Mauerpark

BAUEN Für das 700-Wohnungen-Projekt ist nicht länger der Bezirk Mitte zuständig, sondern der Senat. Der von Bebauungsgegnern angestrebte Bürgerentscheid läuft damit ins Leere. Linksfraktion spricht von „Skandal“

Streit über Neubau

■ Der Streit über den Mauerpark bildet einen generellen Konflikt in der Stadt ab. Auf der einen Seite stehen Anwohner, die von einem Neubau nicht allein mehr Beton befürchten – der beim Mauerpark-Projekt durch einen größeren Park aufgewogen würde –, sondern auch Mietsteigerungen im Umfeld, also Gentrifizierung. Auf der anderen Seite steht der Senat, der unter dem Druck von Wohnungsknappheit stark auf Neubau setzt – zu stark, wie vor allem die Grünen meinen. Sie sehen noch großes Potenzial für Aufstockungen oder den Ausbau von Dachgeschossen. Stadtentwicklungssenator Geisel hält ablehnenden Anwohnern wie sein Vorgänger Michael Müller eine „Not in my backyard“-Haltung vor: zwar generell neue und günstige Wohnungen zu fordern, aber im eigenen Umfeld Bauprojekte abzulehnen. (sta)

VON STEFAN ALBERTI

Für das Bauprojekt am Mauerpark ist nicht länger der Bezirk Mitte zuständig, sondern der Senat. Was wie eine reine Formalie aussieht, hat für die Gegner des 700-Wohnungen-Projekts gravierende Folgen. Denn aus Sicht von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) kann ein Bürgerbegehren, das die „Mauerpark-Allianz“ als Bündnis örtlicher Initiativen anstrebt, das Projekt nun weder aufhalten noch verhindern. „Das hat für das dann vom Land geführt Verfahren keine Bedeutung“, sagte Geisel, als er am Mittwoch im Abgeordnetenhaus die Senatsentscheidung vorstellte. Bei der Opposition und örtlichen Initiativen löste das heftige Kritik aus. Die Linksfraktion sprach von einem „Skandal“.

Geisel nutzt die im Baugesetzbuch gegebene Möglichkeit, dass die Landesregierung Bauvorhaben an sich ziehen kann, wenn sie von außerordentlicher stadtpolitischer Bedeutung sind. Als Grenzwert gelten 200 Wohnungen. Das geschah jüngst bereits beim Bauprojekt Buckower Felder im Bezirk Neukölln, wo ebenfalls ein Bürgerbegehren im Weg war. Die übergeordnete Bedeutung von 700 Wohnungen liegt für Geisel angesichts von Wohnungsknappheit und steigenden Mieten auf der Hand. „Der Senat wird alle Instrumente anwenden – und Neubau gehört ganz entscheidend dazu“, sagte Geisel. „Das ist keine Frage, die in einzelnen Nachbarschaften entschieden werden kann.“

Der Senator widersprach der Darstellung, er beschneide Bürgerbeteiligung. Aus seiner Sicht ist es vielmehr Folge von Bürgerbeteiligung, dass aus dem einst als Luxusprojekt verrufenen Projekt eine Mischung werden soll: 120 Wohnungen soll die landeseigene Gewobag zum Quadratmeterpreis von 6,50 Euro vermieten, 122 sollen frei finanziert sein, 219 sollen für Studierende entstehen, 43 für Senioren. Zudem soll es eine Kita mit 80 Plätzen geben. Eigentumswohnungen sind nur 194 vorgesehen.

Die Linkspartei-Abgeordneten Katrin Lompscher und Klaus Lederer sahen das ganz anders: Geisel wolle das geplante Bürgerbegehren aushebeln. Er fürchte zudem, dass es im Bezirksparlament keine Mehrheit für den Bebauungsplan geben könnte. Geisel hingegen betonte, die Verlagerung der Zuständigkeit erfolge „ausdrücklich nicht im Konflikt mit dem Bezirk“. Eine wackelnde Mehrheit sah er nicht.

„Der Senat hat aus Tempelhof nichts gelernt“

GRÜNEN-FRAKTIONSCHEFIN ANTJE KAPEK

Das Bauprojekt soll auf einem derzeit als Gewerbegebiet ausgewiesen Streifen längs der Bezirksgrenze zu Pankow erfolgen, der dem Investor gehört, und ist eng verbunden mit der Erweiterung des direkt angrenzenden Parks. Die Wohnungen würden nur knapp ein Drittel der Fläche einnehmen. Der Rest soll den Mauerpark fast verdoppeln. Diese Fläche würde der Investor dem Land für eher kleines Geld überlassen. Kritiker wie Lederer aber fordern hingegen „100 Prozent Mauerpark“: Der Senat solle das Gelände kaufen und ganz begrünen. Dieser Kauf aber würde laut Geisel 12 Millionen Euro kosten, ohne dass eine einzige Wohnung entstünde – „das wäre absurd“.

Heiner Funken, führender Aktivist gegen das Bauprojekt, zeigte sich geschockt vom Vorgehen des Senats: „Das ist eine Form von Entdemokratisierung und eine bodenlose Frechheit.“ Wenn das bezirkliche Bürgerbegehren wirkungslos ist, werde man prüfen, ob man nicht auf Landesebene Stimmen sammeln könne und ein Volksbegehren möglich sei. Die auch hier notwendige landesweite Bedeutung steht für Funken außer Frage: „Der Mauerpark ist eine berlinweite, wenn nicht weltweite Marke.“ Vorerst ruft er dazu auf, beim noch bis Mai zuständigen Bezirksamt Einwendungen gegen die Bebauung einzureichen.

Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek vermute, der Senat habe „Angst vor einer zu starken Stadtgesellschaft“. Unerhört findet sie es, dem Bezirk die Zuständigkeit während der Prüfung eines Bürgerbegehrens zu entziehen. „Der Senat hat aus Tempelhof nichts gelernt.“