: Superhafen hängt in Warteschleife
Stahlmangel und weitere Klagen vor Gericht verzögern den Baustart des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven offenbar bis zum Herbst 2008. Die Entnahme von 47 Millionen Kubikmetern Sand zerstöre den Jadebusen, sagen die Hafengegner
von KAI SCHÖNEBERG
Der Baubeginn des Tiefwasserhafens droht sich wegen Gerichtsverfahren und wegen Problemen mit der Beschaffung von Stahl bis Herbst 2008 zu verzögern. „Ich halte es wegen der gängigen Rechtssprechung für ausgeschlossen, dass für den Jade-Weser-Port auf absehbare Zeit die Bagger anrücken können“, sagt Joachim Musch. Der Anwalt geht für den Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz und eine Wilhelmshavener Initiative rechtlich gegen das eine Milliarde teure niedersächsisch-bremische Prestigeprojekt in Wilhelmshaven vor.
Musch will die Sandentnahme aus dem Jadebusen für die Aufschüttung des Hafenareals vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg stoppen – es geht um 47 Millionen Kubikmeter Sand, die vor der 1.700 Meter langen Kaje aufgeschüttet werden sollen. Hier sollen einen Tages Kräne rollen, Lager und Zulieferfirmen gebaut werden. Zum Vergleich: Historiker schätzen, dass im zerstörten Berlin nach dem zweiten Weltkrieg 75 Millionen Tonnen Schutt anfielen.
Durch das Ausbaggern entstehen laut Musch weitere 2,2 Millionen Tonnen Schwebstoffe, die der Fauna und Flora im Jadebusen den Garaus bereiten würden. Wegen sinkender Wasserqualität und Sauerstoffmangel sieht Musch Lebensräume für seltene Fische wie das Neunauge, die Finte oder den Grauen Knurrhahn in Gefahr. Außerdem verweist der Anwalt auf die durchs Ausbaggern entstehenden neuen Strömungsverhältnisse in dem Gewässer. „Dort entstehen bis zu 40 Meter tiefe Sandlöcher“, sagt Musch. „Wir befürchten, dass beim Zuspülen der Deichfuß in der Region gefährdet werden kann.“
Zurzeit bereitet er eine einstweilige Verfügung gegen den sofortigen Vollzug des Hafen-Rahmenbetriebsplans vor. „Eine weitere Verzögerung von sechs Monaten beim Bau“ sei „durchaus realistisch.“ Das von ihm angestrebte Verfahren in Oldenburg werde aufschiebende Wirkung für die Hafenarbeiten haben.
Das würde die bislang prognostizierte Inbetriebnahme des Hafens im Jahr 2010 zusätzlich gefährden. Eigentlich hatte Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) von einem pompösen ersten Rammschlag in Wilhelmshaven noch vor der Landtagswahl am 27. Januar 2008 geträumt. Mittlerweile gehen aber auch Experten in seinem Ministerium davon aus, dass der Baustart frühestens im Herbst 2008 sein wird, die Inbetriebnahme verzögerte sich dann auf frühestens 2011. Wie viel von den zeitgebundenen 50 EU-Millionen das Land abrufen kann, ist noch nicht geklärt.
Der Geschäftsführer der Jade-Weser-Port Realisierungsgesellschaft, Helmut Werner, weicht der Frage aus, ob das Oldenburger Verfahren den Zeitplan des Projekts weiter verzögern könnte: „Uns liegt bislang nichts vor“, sagt er zur taz. Deshalb sehe er zurzeit auch bei diesem Punkt „überhaupt kein Problem“. Anwalt Musch sagt dazu, dass die Zeit für seinen Einspruch noch nicht gekommen sei.
Werner wie Hirche hatten bislang stets behauptet, allein zwei Eilanträge vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Hafen verhinderten den ersten Rammschlag beim rund eine Milliarde teuren Superhafen – die Eilanträge stammen ebenfalls von Anwalt Musch. Das OVG widersetzt sich bislang politischen Druck und betont, es gebe „keinen absehbaren Termin für eine Entscheidung“. Gerechnet wird inzwischen mit dem ersten Quartal 2008. „Mit dem Bau wird begonnen, wenn Lüneburg entschieden hat“, wiederholt ein Sprecher die Sprachregelung im Hirche-Ministerium.
Auch die Beschaffung von 80.000 Tonnen Stahl für den Hafen wird zum Problem. Die Baufirma Bunte ist offenbar nicht in der Lage, zu akzeptablen Preisen auf dem Weltmarkt an diese Menge Stahl für die Spundwände zu kommen. Auch Kapazitäten zum Walzen der gut 40 Meter langen Hafenbegrenzungen fehlen dem Mittelständler und seinen Partnerfirmen. Von „konstruktiven Gesprächen mit Bunte“ erzählt JWP-Geschäftsführer Werner. Hirche hatte bereits in der vergangenen Woche darauf hingewiesen, dass notfalls die Hafengesellschafter Bremen und Niedersachsen Bunte unterstützen sollten. Wie das gehen könnte, will sein Sprecher nicht erläutern. Eine Möglichkeit wäre, dass das Land Niedersachsen auf die Stahlwerke Salzgitter einwirkt, an denen es Anteile hält. Allerdings ist der Weltmarkt zurzeit stark überhitzt.