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Archiv-Artikel

Der Crémant, Frau Kaschny und ich

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Das Feinkostgeschäft de Maufel in Berlin-Charlottenburg setzt auf Luxemburger Tradition

Der moderne Stadtmensch hetzt durch das Leben. Von der Wohnung zur U-Bahn, zum Arbeitsplatz, ins Kino, nach Hause, und zwischendurch schnell noch in den Supermarkt. Richtig entspannen kann er sich nur noch unter Anleitung beim Yoga. Wo soll er denn auch die Zeit finden, in Ruhe zu flanieren? Und wo das passende Trottoir?

Eine Straße, die – wenn man sie lange genug auf und ab geht – schon fast einen therapeutischen Einfluss hat, ist die Leonhardtstraße in Berlin-Charlottenburg. Die Gehsteige sind breit, die Bäume wachsen hoch, vor den kleinen Lädchen, liebevoll gestaltete Verwirklichungsstätten und keine anonymen Ketten, stehen Plastikschaukelpferdchen oder Tische. Einige Tische gehören zum Les Bouchées, auf Luxemburgisch eben auch de Maufel genannt. Es ist nicht nur ein Feinkostgeschäft, sondern dazu noch ein kleines Café, in dem man die Spezialitäten des Hauses gleich verzehren kann.

Die Wände des Ladenlokals sind grün, der Fries wurde weiß gestrichen, das Mosaikparkett auf dem Boden sieht besonders aus, nicht die immer gleichen dunklen Dielen. Auf den Tischen brennen Kerzen, in der Ecke steht eine kleine Kühltheke mit Käse und Schinkenspezialitäten. Dass man sich im de Maufel fühlt wie in einem Gartenhof kann kein Zufall sein.

Das Lokal gibt es seit einem Jahr. Es wird vom in Berlin ansässigen Luxemburger Künstler Luc Wolff und seiner Frau Heike Kaschny betrieben. Wolff machte früher in Gartenbau. Kaschny hält mit ihrem Charme den Laden zusammen, Luc Wolff backt die Pasteten.

Nicht irgendwelche, sondern Rieslingpasteten, eine uralte Luxemburger Tradition, die in den Privathaushalten inzwischen fast verschwunden ist. Mariniertes Neuland-Fleisch wird in Mürbeteig eingehüllt. Dabei wird auf der Oberseite ein Loch gelassen, durch das Rieslinggelee gefüllt wird. Die Kombination zwischen Aspik und mariniertem Fleisch kann wirklich grauselig sein, im de Maufel aber begeistert sie. Auch der Feldsalat und die kleine Quiche sind sehr zu loben. Luxemburg kann eben viel mehr als Echternacher Springprozession und billiges Benzin. Vielleicht ist es der Luxemburger Crémant aufs Haus, den Frau Kaschny mir anbietet, der im de Maufel für so positives Licht sorgt.

Eher liegt es an der erholsamen Atmosphäre auf der Leonhardtstraße, an ihren Bewohnern und Besuchern, die etwa zweihundert Meter Pflastersteinpiste zu einem kleinen Naherholungsgebiet mitten in Berlin machen.

FEINKOSTGESCHÄFT DE MAUFEL, Leonhardtstr. 13, 14057 Berlin-Charlottenburg, Tel. (0 30) 31 00 43 99, www.de-maufel.com, Di.–Fr. 10–18.30 Uhr, Mo. und So. geschlossen, S-Bahnhof Charlottenburg, Café Latte 2,30 €, Cola 2 €, Rieslingpasteten 3,25 €