Der Chef, der schuld sein soll

Kann sein, dass manche in Klaus Lederer einen Verlierer sehen. Einen, den sie gern verantwortlich machen würden dafür, dass sie in Berlin nicht mehr an der Regierung sind. Schließlich ist Lederer, 37, der Landesvorsitzende der Linkspartei. Das ist die Partei, die vom ewigen SPD-Wowereit nach zehn Jahren Koalition einfach mit Nichtbeachtung gestraft wurde.

Möglicherweise wird also auf dem Landesparteitag der Berliner Linken an diesem Samstag an Lederer rumgenörgelt – einer muss ja schuld sein, und im Zweifelsfall ist das immer der Chef.

Aber der hat die Marschrichtung für die kommenden fünf Jahre bereits vorgegeben: „Es hat keinen Sinn, zu lamentieren“, sagt er, jetzt müsse man hörbare und sichtbare Oppositionsarbeit leisten. Was man halt so sagt als Chef der Exregierungspartei.

Aber in Berlin hat der Wähler mitunter ein Gedächtnis wie ein Elefant, wenn es um unliebsame Entscheidungen geht. Etwa die Offenlegung der von Rot-Rot geheim gehaltenen Wasserverträge 2010 oder das Straßenausbaugesetz, bei dem die Linkspartei Koalitionsdisziplin geübt hat, statt sich gemeinsam mit der CDU den Häuslebauern anzudienen.

Klaus Lederer ist derjenige, der dies verblassen lassen und der Berliner Linken neuen Schwung verpassen soll. Das könnte klappen. Denn Lederer ist ein Politiker von der munteren Sorte. Dem 37 Jahre alten Juristen liegt Ideologensprech fern. Alte Genossen mögen an dem Realo seine Jugend und seine Zuversicht – im Landesverband der beigen Windjacken fällt der offen schwul lebende und verpartnerte Blonde mit den schwarzen Kapuzenpullis auf.

Geboren wurde Lederer 1974 in Schwerin. 1992 machte er an einer Mathe-Spezialschule in Berlin Abitur, studierte Jura. Seine Dissertation schrieb er interessanterweise über die Privatisierung im Wassersektor. 1992 trat er in die PDS ein, er machte Lokalpolitik in Mitte und Prenzlauer Berg, bevor er 2003 zuerst Vizelandesvorsitzender und 2005 schließlich Landeschef wurde. Da war er gerade mal 31 und seine Partei seit vier Jahren in Regierungsverantwortung.

In diesem Herbst hat die Linkspartei die Macht verloren. Das ist ungemütlich, klar. Aber wer sagt, dass sie in der Opposition nicht an Mut und Widerspruchsgeist gewinnen kann? Einen passenden Landesvorsitzenden haben die 8.700 Mitglieder – einen neuen können sie frühestens 2012 wählen. ANJA MAIER