berliner szenen Lachen oder weinen

Kuhlbrodts Lesetour

Der große Melancholiker unter den Autoren der „berliner szenen“, Detlef Kuhlbrodt, kam zu einer Lesung nach Marburg. Alle waren froh. Er sollte aus seiner Suhrkamp-Anthologie „Morgens leicht, später laut. Singles“ vortragen. Wir trafen uns am Veranstaltungsort, der „Waggonhalle“. Liebe Freunde hatten einen Flyer gebastelt. Als Kuhlbrodt den sah, sagte er: „Das ist ja irre, das ist doch Harald auf dem Bild.“

Aus Versehen hatte man von seinem Blog ein Foto des kürzlich verstorbenen taz-Kulturredakteurs Harald Fricke heruntergeladen, es für den Flyer verwendet und in der ganzen Stadt plakatiert. Das war wirklich eine surreale Ankündigung. Kuhlbrodt wusste nicht so recht, ob er lachen oder weinen sollte. Gleichzeitig war es aber auch ein schönes Bild dafür, wie Kultur in Mittelhessen so ankommt: Als eine Art verzerrter Funkspruch aus dem Jenseits.

Die Lesung war dann super. Der Autor las auch aus einem Text, in dem er erzählt, wie er einmal für den Spiegel gearbeitet hatte. „Nach drei Wochen war ich saniert und konnte alle meine Schulden bezahlen“, erzählte der Autor in der Publikumsdiskussion. „Aber dann hatte ich diesen Text hier über den Spiegel geschrieben und dachte, wenn ich den veröffentliche, kann ich nicht mehr für das Magazin arbeiten. Und dann habe ich da eben wieder gekündigt. Ich dachte, ich würde dann einen großen Roman schreiben oder so. Das hat dann aber nicht geklappt.“

Hinterher waren wir noch einen trinken. Als wir unsere letzte Runde bestellten, hatte der weit gereiste Autor noch ein irres Erlebnis. Kuhlbrodt sah auf den Schlüssel zu seinem Übernachtungszimmer. Da war ein Schildchen dran mit den Worten „für rechts“. Auch darüber konnte er noch lachen. JAN SÜSELBECK