: Empörung nach Nato-Angriff
PAKISTAN Bei dem Beschuss eines Grenzpostens sterben mindesten 24 Soldaten. Die Regierung in Islamabad stoppt daraufhin Versorgungskonvois für Afghanistan
VON AGNES TANDLER
Die Wut in Pakistan ist groß. Bei einem nächtlichen Angriff eines Nato-Kampfhubschraubers auf einen Grenzposten an der unübersichtlichen afghanisch-pakistanischen Grenze sind mindestens 24 pakistanische Soldaten ums Leben gekommen. Es ist der schwerste Zwischenfall seit der Tötung Osama bin Ladens durch US-Spezialtruppen im Mai und stürzt die pakistanisch-amerikanischen Beziehungen in eine neue Krise. Es ist bislang unklar, wie es zu dem Vorfall in Salalah, rund zwei Kilometer nördlich der Grenze, kommen konnte und wer zuerst das Feuer eröffnete.
Pakistan stoppte umgehend die strategisch wichtigen Lastwagen-Konvois für die Nato, die vom pakistanischen Hafen Karatschi auf dem Landweg Nachschub für die westlichen Truppen nach Afghanistan bringen. Die Regierung in Islamabad kündigte an, sie werde die Kooperation mit den USA und der Nato prüfen. „Es ist eine große Verletzung der nationalen Souveränität“, sagte Premierminister Yusuf Raza Gillani.
Gerüchten zufolge will Pakistan nun seine Teilnahme an der wichtigen Afghanistan-Konferenz in Bonn am 5. Dezember absagen. Nur wenige Stunden vor dem Zwischenfall hatte sich der Nato-Kommandeur für Afghanistan, John Allen, mit dem pakistanischen Armeechef Asfaq Kayani in Islamabad getroffen, um über die Sicherheit an der afghanisch-pakistanischen Grenze zu sprechen. Die unwirtliche Region ist Rückzugsgebiet für aufständische Taliban-Kämpfer, die in Afghanistan gegen die Nato-Truppen kämpfen. Der Grenzverlauf durch das bergige Terrain ist an vielen Stellen unklar und auf Karten unterschiedlich eingezeichnet.
In Kabul kursiert die Ansicht, die pakistanische Seite habe zuerst auf den Nato-Hubschrauber geschossen und dieser habe zur Selbstverteidigung das Feuer erwidert. Pakistanisch Stellen behaupten wiederum, die etwa 40 Soldaten des an einem Berg gelegenen Grenzpostens hätten geschlafen.
Die Reaktion der Medien in Pakistan war scharf: Der Business Recorder setzte den Angriff mit dem Terroranschlag im indischen Bombay (Mumbai) am 26. November 2008 gleich, bei dem mindestens 160 Menschen starben. Die militärnahe Zeitung The Nation stellte süffisant fest, dass die aufständischen, pakistanischen Taliban nie eine solche Menge von Soldaten auf einen Schlag getötet hätten wie die USA. Pakistan müsse sich vollständig aus dem Terrorkrieg der USA zurückziehen.
Das Verhältnis zwischen den USA und Pakistan ist seit Monaten angespannt. Die Vereinigten Staaten wollen ihr militärisches Engagement in Afghanistan beenden und üben Druck auf Pakistan aus, gegen islamistische Gruppen vorzugehen, die von Pakistan aus Anschläge gegen die Nato in Afghanistan verüben. Zudem hoffen die USA, dass Pakistan seinen Einfluss auf die afghanischen Taliban geltend macht, um sie zu Friedensverhandlungen zu bewegen. Pakistan hingegen hat andere Interessen am Hindukusch und hofft, nach Abzug der Nato 2014 eine pakistanfreundliche Regierung in Kabul etablieren zu können.