heute in bremen : Asylanspruch außer Kraft
Experten diskutieren die öffentliche Wahrnehmung von Flüchtlingssschicksalen
Seit 1998 sollen 10.000 Flüchtlinge bei dem Versuch, in die EU zu gelangen, gestorben sein. Die innerdeutsche Grenze forderte wohl etwa 470 Opfer. Gibt es eine disproportionale Wahrnehmung?
Jan-Hendrik Kamlage, Graduate School of Social Sciences: Die Anzahl von 10.000 spricht dafür, dass es sich hier um ein systematisches, menschenrechtliches Problem handelt. Das dieses in der deutschen Öffentlichkeit nicht so präsent ist, hat auch damit zu tun, dass der Staat es geschafft hat, dieses aus seinem Herrschaftsraum hinaus zu verlagern. In Italien und Spanien ist die Rezeption eine andere.
Die meisten Flüchtlingen kommen in Italien und Spanien an. Welche Rolle spielt Deutschland im EU-Migrationsregime?
Deutschland stand immer im Zentrum der nachgelagerten Migration. Viele Flüchtlinge, die im Mittelmeerraum ankommen, reisen weiter nach Deutschland. Daher übt die Bundesregierung immer starken Druck auf die Partnerländer aus. Der Vorschlag, außerhalb der EU Auffanglager für Asylbewerber zu errichten, stammt von Otto Schily, auch die Drittstaatenregelung geht auf die BRD zurück.
Welche Motivation gibt es, sich so gegen Zuwanderung abzuschirmen?
Ich würde das so interpretieren, dass man auf diese Weise versucht, seine völkerrechtlichen Verpflichtungen zu umgehen. Der Asylanspruch, den viele Flüchtlingen geltend machen wollen, kann durch ein solches Grenzregime faktisch außer Kraft gesetzt werden. Fragen: cja
Podiumsdiskussion: 20 Uhr, Lagerhaus