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Archiv-Artikel

Bewaffneter Überfall auf Menschenrechtler

In Inguschetien wurden Oleg Orlow und drei Journalisten von Unbekannten entführt. Proteste von amnesty

Die nächtlichen Angreifer, die Kampfuniformen trugen, drohten Orlow mit Erschießung

BERLIN taz ■ Oleg Orlow, Vorsitzender des Menschenrechtszentrums Memorial, und drei Journalisten des privaten Fernsehsenders RenTV sind in der Nacht vom Samstag auf Sonntag von maskierten Bewaffneten in der inguschetischen Stadt Nasran überfallen worden. Nach Angaben der Zeitung Nowaja Gazeta hatte sich um Mitternacht ein weißer Kleinbus dem Hotel „Assa“ in Nasran genähert, in dem Orlow und die Journalisten übernachteten. Zehn Personen stürmten aus dem Kleinbus in das Hotel und suchten gezielt Orlow und die Journalisten. Die Gruppe war nach Inguschetien gereist, weil sie sich ein Bild machen wollte von einer für Samstag in Nasran geplanten Demonstration. Mit dieser Aktion wollten die Bewohner Nasrans gegen eine Sonderaktion inguschetischer Antiterror-Einheiten demonstrieren, bei der am 9. November ein sechsjähriger Junge getötet worden war.

Nach Angaben der Zeitung gingen im Hotel die Lichter aus, Pistolenschüsse waren zu hören. Die nächtlichen Angreifer, die Kampfuniformen trugen, drohten Orlow und den Journalisten mit Erschießung. Anschließend wurde die Gruppe an einen unbekannten Ort gebracht, wo man ihnen Plastiksäcke über den Kopf zog und sie misshandelte. Als man sie wieder auf freien Fuß setzte, machte sich die Gruppe, barfuß und kaum bekleidet, auf den Weg und erreichte das Dorf Nesterowskoe, wo sie bei der Miliz Anzeige erstatteten. Der Überfall auf einen der bekanntesten Menschenrechtler Russlands ist der bisherige Höhepunkt einer Reihe von Übergriffen gegen russische Oppositionelle kurz vor den Wahlen.

Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international, Human Rights Watch und die Internationale Helsinki Föderation haben in ersten Stellungnahmen ihre Bestürzung ausgedrückt. „Der Kreml muss unverzüglich Schritte unternehmen, um den Überfall auf Orlow und die drei Journalisten aufzuklären und die Täter zur Verantwortung zu ziehen“, forderte amnesty. Auch Human Rights Watch äußerte sich ungewöhnlich scharf: „Dieses schreckliche Verbrechen hat ganz klar politische Motive. Hier sollen unabhängige Stimmen mundtot gemacht werden“, so Holly Cartner. „Wir brauchen aus Inguschetien, wo die Lage sehr unruhig ist, nicht weniger, sondern mehr Informationen.“

Bereits am 21. November war in Dagestan der Duma-Kandidat von Jabloko, Farid Babajew, von Unbekannten mit Schusswaffen angegriffen worden. Babajew hatte im August einen runden Tisch zu Menschenrechten organisiert.

BERNHARD CLASEN