: „Einmal Opfer, immer Opfer“
WIDERSTÄNDE I Nach langem Streit bekommt Göttingen seine ersten öffentlichen Stolpersteine
Ein Waffengeschäft in der Innenstadt ist Schauplatz der ersten Göttinger Stolperstein-Verlegung auf öffentlichem Grund: Am Dienstag wird auf diese Weise die Familie Katz gewürdigt, die dort ihren Laden hatte.
Seit 2002 wird in Göttingen über die Stolpersteine gestritten, die orthodoxe jüdische Kultusgemeinde Südniedersachsen ist noch immer vehement dagegen. Deren Vorsitzende Eva Tichauer Moritz lehnt „die unsäglichen Platten“ ab, weil auf ihnen die Namen der Opfer mit Füßen getreten würden. „Einmal Opfer, immer Opfer“, sagt Tichauer Moritz. Aufgrund des vehementen Widerstands gibt es in Göttingen bislang nur einen einzigen, auf Privatgrund verlegten Stein.
Starke Vorbehalte gegen Stolpersteine gibt es auch im Zentralrat der Juden und in fast allen jüdischen Gemeinden, vor allem in den orthodox geprägten. Nur stellen sie meistens die Meinung einer Minderheit dar.
Die liberale jüdische Gemeinde Göttingens hat sich wiederholt für Stolpersteine stark gemacht und ihr orthodoxes Gegenüber damit nun zum – allerdings sehr widerwilligen – Einlenken gebracht. Die Göttinger Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit als „neutrale Instanz“ koordiniert nun die Verlegung zusammen mit dem Göttinger Geschichtsverein.
Wichtig war der eindeutige Wunsch vieler Angehöriger nach Stolpersteinen, aber auch der Einsatz zahlreicher gesellschaftlicher Akteure. Der Fan-Club von Göttingen 05 hat seit Kurzem seinen Sitz am Platz der Synagoge und besinnt sich nun des jüdischen Fußballers Ludolf Katz, der seit 1918 Vereinsmitglied gewesen war. 1934 wurde er ausgeschlossen.
Für die Orthodoxen ist es vor allem problematisch, wenn der Namen eines Geehrten die Silbe „el“ enthält, den Gottesnamen. Damit er nicht mit Schuhen in Berührung kommen kann, wollen sie Gedenktafeln an Hauswänden. Die Idee des Stolperstein-Initiators Gunter Demnig, die Steine auf dem Gehweg zu verlegen, hatte allerdings auch einen sehr pragmatischen Grund: Lediglich die Kommune muss der Verlegung zustimmen, nicht der Hausbesitzer. Unter denen gibt es noch immer etliche, die nach Stein-Verlegungen gegen eine „Wertminderung“ ihres Hauses klagen.
Als Hauswandprojekt wären die Stolpersteine bis heute eine Randerscheinung. So aber wird Göttingen die 2025. Kommune in Deutschland sein, die auf diese Weise offiziell ihrer NS-Opfer gedenkt. HENNING BLEYL
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