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Archiv-Artikel

Kriegsveteranen und Pappkameraden weg

Aufklaren auf dem Heisenhof im niedersächsischen Dörverden: Liquidator lässt Oldtimer-Sammlung von Jürgen Rieger abfahren – und jede Menge NPD-Wahlkampfmaterial. Aber die Auflösung des Nazi-Zentrums stockt schon wieder

Von dem von Neonazis genutzten Heisenhof in der Ortschaft Dörverden bei Verden sind in am vergangenen Donnerstag in großem Maßstab Gegenstände abtransportiert worden, wie NDR Info gestern berichte. Dabei soll es sich zum einen um eine Sammlung von Wehrmachtsfahrzeugen des Nazi-Anwalts und NPD-Bundesvorstandsmitglieds Jürgen Rieger handeln. Zum anderen sind große Mengen an Wahlkampfmaterial der NPD Niedersachsen verschwunden. Auftraggeber soll der Erfurter Rechtsanwalt Görge Scheid sein, der als Nachtragsliquidator der Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation Ltd. fungiert.

Hintergrund ist der Streit um die Rechtsnachfolge der Wilhelm-Tietjen-Stiftung, unter deren Dach Rieger auf dem Heisenhof nach eigenen Angaben ein so genanntes Zentrum für Fruchtbarkeitsforschung mit dem Ziel der Arierzucht errichten wollte. Rieger hatte die Stiftung in eine Limited-Gesellschaft nach englischem Recht umfirmiert und so das deutsche Stiftungsrecht umschifft. Die Wilhelm Tiedjen Ltd. ist allerdings im Sommer 2006 erloschen, weil Inhaber Rieger versäumte, die Geschäftsbücher fristgerecht beim britischen Fiskus vorzulegen. Rieger hatte stets behauptet, er werde das Vermögen an eine neue Gesellschaft übertragen. Das ist aber offenbar bislang nicht gelungen. Deshalb bestellte das Amtsgericht Jena einen Liquidator, der die Firma abwickeln sollte. Dabei geht es vor allem um den Schützenhof im sächsischen Pößneck und den Heisenhof.

Rieger erreichte eine Abberufung des ursprünglich eingesetzten Liquidators wegen Befangenheit, so dass am 6. November der Rechtsanwalt Görge Scheid als so genannter Nachtragsliquidator bestellt wurde. Scheid wollte sich gestern nicht persönlich zum Abtransport der Gegenstände äußern. In einer dürren Pressemitteilung ließ er wissen, sein Mandat erstrecke sich im wesentlichen auf „die Fortführung einiger Rechtsstreitigkeiten“ und die Verwertung des Vermögens. Mit letzterer wird es noch ein wenig dauern: Auch gegen die Liquidation durch Scheid hat Rieger am vergangenen Donnerstag Beschwerde eingereicht. Das Verfahren ruht bis zur Entscheidung.

Schon vorher dürfte sich der Verbleib der NPD-Wahlkampfmaterialien klären. Der niedersächsische Landesvorsitzende Andreas Molau sagt, es handele sich dabei vor allem um etwa 1.500 bis 2.000 Pappaufhänger, mit der die Partei Plakate an Laternenmasten in luftiger Höhe aufzuhängen pflegt, wo sie nicht ohne weiteres zerstört werden können. „Wir brauchen die“, sagt Molau. Scheid habe ihm Verhandlungsbereitschaft über eine Rückgabe signalisiert. Der Heisenhof hatte bereits in früheren Wahlkämpfen als Zentrale der NPD gedient.

Die Räumung am vergangenen Donnerstag war offensichtlich ein Überraschungscoup: Erst im Laufe der Aktion kamen rechte Aktivisten hinzu. Sie versuchten, dem Abtransport zu folgen, wurden aber von der Polizei aufgehalten. JAN KAHLCKE