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Archiv-Artikel

Der Kreml bittet nachdrücklich zur Wahl

RUSSLAND Zahlreiche Unregelmäßigkeiten und Schikanen vor und während der Parlamentswahl

MOSKAU afp/dpa | Überschattet von Schikanen hat Russland gestern ein neues Parlament gewählt. In der Nähe des Kreml waren Hunderte Polizisten postiert. Als linke Aktivisten dort demonstrieren wollten, wurden sie in Polizeifahrzeuge gesperrt.

Oppositionellen zufolge kam es zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten. So soll die Regierungspartei im Moskauer Vorort Klimowsk Studenten angeheuert haben, um jeweils 30-mal abzustimmen. Aus vielen Regionen berichteten Bürger nach Angaben der Wahlbeobachtergruppe Golos, Beamten sei mit Kündigung gedroht worden, wenn Wähler nicht für die Regierungspartei stimmten; auch Chefs in Staatsbetrieben und von gesellschaftlichen Organisationen ließen sich demnach schon vorab die Stimmabgabe für die Kremlpartei schriftlich von ihren Mitarbeitern zusichern. Wahlbeobachter kritisierten besonders viele Fälle, in denen vorbereitete Wahlzettel mit einem Kreuz für die Regierungspartei packenweise in die Urnen gestopft wurden.

Mindestens fünf unabhängige Online-Portale waren gestern nicht zugänglich: Die Seiten des Moskauer Echo, der Zeitung Kommersant, der Zeitung New Times, der Wahlbeobachtergruppe Golos sowie eine von ihr zusammen mit der Internetzeitung gazeta.ru erstellte Seite.

Golos-Leiterin Lilija Schibanowa wurde am Samstag nach eigenen Angaben an einem Moskauer Flughafen stundenlang festgehalten. Zollbeamte hätten ihren Laptop unter dem Vorwand beschlagnahmt, er enthalte illegale Software, sagte Schibanowa AFP. Sie fürchte, dass etwas darauf hochgeladen werde, damit dann ein Strafverfahren gegen sie eröffnet werden könne.

Die Bewegung „Das andere Russland“ berichtete von maskierten Beamten, die am Freitagabend in Wohnungen von Moskauer Aktivisten eingedrungen seien und neun von ihnen festgenommen hätten.