: Jukebox
Ist alles doch nur eine Frage der Physik
Wenn man über eine Sache nur lange genug nachdenkt, wird sie erst richtig kompliziert. Denkt man dann noch mal ein Stück, liegt sie plötzlich ganz einfach vor einem. Weil sie halt ist, in der Welt. An diesen Grenzübertritten aber wird’s interessant. Und jetzt zur Musik, über die man gar nicht zu lange reflektieren sollte, was sie eigentlich ist. Nur mal die Grundlagen.
Der Schalldruck: Musik und überhaupt jede Art von Geräusch ist ja Schall, der sich in Wellen fortbewegt. Das hört man dann. Was aber doch noch nicht alles gewesen sein kann. Weil manchmal will man Musik spüren mit seinem vibrierenden Körper, und deswegen kann es gar nicht laut genug sein. Nur so, im höllischen schalldruck hört man mit mehr als nur mit den Ohren. Eine sichere Bank für solche existenzielle Kracherfahrung sind die Konzerte von Motörhead. Die Band spielt am Montag in der Columbiashalle, das Konzert ist allerdings bereits ausverkauft.
Obertöne: Sind ein Wahrnehmungsproblem, und damit mindestens so spannend wie die Dreifaltigkeitslehre, dieser Einheit von Gottvater, Sohn und Heiliger Geist, über die die Kirche gern gestritten hat. Obertöne schwingen irgendwie um den Grundton herum, werden dabei gemeinhin aber nicht einzeln gehört, sondern vom Ohr einfach zur Klangfarbe eines Tons addiert. Sie sind also da und nicht richtig da. Damit hat sich zum Beispiel Arnold Dreyblatt in seiner Musik besonders beschäftigt. Am Sonntag spielt der seit 1984 in Berlin lebende Komponist mit Konrad Sprenger im Ausland bei der Time-Shifts-Reihe.
Drones: Eigentlich ist ein Drone mit einem anderen Fremdwort nur Bordun, volkstümlich der Brummbass. Ein tiefer Dauerton. Oder eine einzelne Note, ein einzelner Akkord, beharrlich durch ein Stück geschlagen. Diesen Verzicht auf harmonische Vielfalt könnte man auch als musikalisches Neandertal bezeichnen. Eigentlich. Aber in den Höhlen der Drones hört man anders. Heftiger. Mit ein paar netten Schnörkeln drumherum wäre das böse Wummern von „Heroin“ von Velvet Underground, klassischer Rockdrone, eben nur ein weiteres Popliedchen. Für den Namen der Band soll Tony Conrad verantwortlich zeichnen, der sich auch tüchtig in die Drone-Musik hineinkniete. Am Samstag spielt er im Tesla.
Schalldruck, Obertöne, Drones. Einfache Sachen. Wie das aber wirkt und was es mit dem Menschen anstellt, kann mit der Physik allein nicht mehr erklärt werden. So einfach ist das dann doch nicht. THOMAS MAUCH