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Archiv-Artikel

Neue Regeln, weniger Pflichten

MENSCHENRECHTE Die Weltbank überarbeitet die sozialen und ökologischen Regeln für die Kreditvergabe. Entwicklungsorganisationen kritisieren Ausnahmeklauseln und fehlende Überwachung

BERLIN taz | Sukhgerel Dugersuren glaubt nicht, dass die Weltbank und die Osteuropabank EBRD die Mongolei voranbringen. In ihrer Heimat haben die Geldinstitute in drei Projekte investiert, darunter die Kupfer-, Gold- und Silbermine Oyu Tolgoi und die Tayan Nuur Eisenmine. Die Erschließung der Bodenschätze soll die Wirtschaft in der Mongolei stimulieren. Doch die Menschen, die im Umkreis der Großprojekte leben, litten darunter, sagt Dugersuren.

Im Jahr 2008 hat die Anwältin deshalb die Nichtregierungsorganisation OT Watch gegründet. Ihr Team hat 100 Menschen befragt, überwiegend Nomaden, die wegen der Gold- und der Eisenmine vertrieben wurden. „Viele hatten zuvor 600 bis 700 Tiere und ein erfolgreiches Leben durch den Verkauf von Kaschmir und Milch“, erzählt sie. „Jetzt müssen sie häufig einen kleinen Laden betreiben, um überleben zu können.“ Ein Drittel der Befragten, die im Rahmen des Goldminen-Projekts umgesiedelt wurden, wurden nicht einmal entschädigt. Bei dem Eisenprojekt waren es sogar fast drei Viertel.

Deshalb hat Dugersuren Beschwerde eingereicht – erst bei der unabhängigen Beschwerdestelle der Weltbank, dann auch bei der Osteuropabank. Denn soziale und ökologische Regeln, die bei Vergabe eines Kredits der Privatsparte IFC der Weltbank gelten, gibt es bereits seit den 80er Jahren. Doch an diesen wurde so häufig herumgeschrieben, dass sie völlig unübersichtlich wurden. Deswegen werden die sogenannten Safeguards gerade vereinfacht und modernisiert. Sie sollen als Vorbild für Kreditgeber weltweit gelten. Ende des Jahres sollen die neuen Regeln in Kraft treten. Auf 103 Seiten definiert die Weltbank darin die Standards in zehn Themengebieten neu. Dazu zählen Lebens- und Arbeitsbedingungen, Ressourceneffzienz und Schutz vor Umsiedlungen.

Deutsche Entwicklungsorganisationen, das wurde in dieser Woche bei einer Tagung in Berlin deutlich, sehen die Änderungen kritisch. Im Gegensatz zu den alten Regeln seien im neuen Entwurf zwar „Einzelthemen explizit verankert“, sagt etwa Andrea Kämpf vom Deutschen Institut für Menschenrechte. „Aber das bringt nichts, wenn der Rahmen aufgeweicht wird.“ Denn der neue Text enthalte „unbestimmte Rechtsbegriffe“, die es etwa erlauben, diese Standards nur anzuwenden, wo das „finanziell und technisch möglich“ sei.

Korinna Hörtig von der Organisation Urgewald kritisiert, dass grundsätzliche Probleme nicht gelöst werden. „Wenn ein Projekt bewilligt ist, schaut niemand mehr genau hin“, sagt sie. Das hat die Weltbank kürzlich in einer Pressemitteilung selbst eingestanden: Sie wisse nicht, wie viele Menschen wegen der Projekte zwangsumgesiedelt wurden, heißt es darin. „Wir brauchen eine unabhängige Stelle, die die Projekte auch während der Ausführung evaluiert“, sagt Hörtig.

Das wünscht sich auch Delphine Djiraibe von der Nichtregierungsorganisation PILC Tschad. Dort hatten 2003 die Weltbank und weitere Geldgeber 7 Milliarden Dollar in eine Erdöl-Pipeline nach Kamerun investiert. „Heute haben die Dörfer im Umkreis der Pipeline weder Wasser noch Strom“, sagt sie. Weder unabhängige Beobachter noch Journalisten hätten Zugang – laut Djiraibe versperren Militärs den Zugang. Auf dem Human Development Index der Vereinten Nationen ist das Land zwischen 2007 und 2012 von Platz 184 auf 186 gesunken. JULIA AMBERGER