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Archiv-Artikel

Ein Bündnis, das aus der Not geboren wurde

OPPOSITION Drittstärkste Fraktion wird die Vereinte Liste, in der arabische und andere israelische Gruppierungen künftig zusammenarbeiten wollen

Polygamisten sitzen neben Feministinnen, Islamisten, jüdischen und christlichen Parteigenossen

JERUSALEM taz | Als drittstärkste Fraktion zieht die Vereinte Liste der drei arabischen Parteien und der antizionistischen Chadasch in Israels Knesset. Was die Kommunisten, Islamisten, arabischen Nationalisten und Antizionisten verbindet: Sie wollen aus dem Judenstaat Israel einen Staat aller Bürger zu machen.

Die Vereinte Liste fordert mehr Gleichberechtigung für die arabische Minderheit und macht sich dafür stark, die Ressourcen umzuverteilen; sie will bessere Schulen und Ausbildungsmöglichkeiten im arabischen Sektor und gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

20,7 Prozent (1,69 Millionen) der 8,18 Millionen Israelis sind Araber. Unter den Wahlberechtigten beträgt der arabische Anteil aber nur 15 Prozent, da die arabische Bevölkerung des Landes sehr jung ist.

Der Zusammenschluss zur Vereinten Liste war aus der Not geboren, da alle vier Parteien an der erhöhten Sperrklausel zu scheitern drohten. Es zeigt sich nun, dass das Bündnis mehr Wähler im arabischen Sektor dazu motiviert hat, ihre Stimme überhaupt abzugeben. In der letzten Knesset hatten alle vier Parteien zusammen nur 11 Mandate, jetzt ziehen 14 Parlamentarier ein.

Dialog dringend nötig

66 Prozent der arabischen Israelis nahmen ihr demokratisches Recht zu wählen wahr. Das sind 10 Prozent mehr als beim letzten Urnengang.

Für die meisten überwog die Solidarität zur Gruppe die ideologischen Unterschiede, als sie ihre Stimme abgaben. In dieser Liste sitzen Polygamisten Seite an Seite mit zwei Feministinnen, Islamisten neben jüdischen und christlichen Parteigenossen.

„Eine bessere Zukunft ist möglich“, zeigte sich Ayman Odeh, Chef der Vereinten Liste, zuversichtlich und appellierte, dass „Juden und Araber zusammen“ daran arbeiten. Wie dringend ein innerisraelischer Dialog zwischen den beiden Völkern ist, bewies eins der letzten Wahlmanöver Benjamin Netanjahus, der kurz vor Schließung der Wahllokale mit der Warnung: „Die Araber wählen en masse“, die rechten Wähler zur Stimmabgabe ermutigen wollte und damit die Minderheit einmal mehr vor den Kopf stieß.

Die Vereinte Liste will sich vor allem in den parlamentarischen Ausschüssen zu Wort melden. Für Aida Touma-Sliman, die Nummer fünf auf der Liste, geht es um den Kampf „gegen undemokratische Gesetze, mehr freie Meinungsäußerung“ und gegen die staatliche „Konfiszierung von arabischem Land“. Die unterschiedlichen Politiker streben „maximale Kooperation“ an, meint Touma-Sliman, aber das werde sie nicht davon abhalten, „nur so zu agieren, wie ich es für richtig halte“. SUSANNE KNAUL