: Die reichen Gönner aus China
Chan Shu Kai und seine Frau Angela stifteten dem Berliner WZB einen der höchstdotierten Preise für Sozialwissenschaft, der heute erstmals verliehen wirdFOTO: PETRA-MONIKA JANDER-ABELSHAUSEN
Nur wenige Ausländer dürften Deutschland zwischen 1935 und 1939 in guter Erinnerung behalten haben und sich jetzt im Alter von 88 Jahren auch noch mit einem Millionengeschenk revanchieren. Doch genau dies ist bei dem Chinesen Chan Shu Kai der Fall, ohne dass er den Verdacht erregt, Anhänger des Nationalsozialismus zu sein.
Der 1919 im südlichen Kanton geborene Sohn einer Großgrundbesitzerfamilie kam 1935 zur Ausbildung nach Deutschland. Weil ihm der erhoffte Platz an der Kriegsakademie versagt blieb, studierte er Wirtschaftsgeschichte und Staatswissenschaft. Er hörte Vorlesungen in Berlin, Leipzig, Wien, Frankfurt und Marburg. Besonders der Wirtschaftsliberalismus und die Vorläufer der sozialen Marktwirtschaft beschäftigten ihn.
Der Zweite Weltkrieg zwang Chan zur Rückkehr nach China. Zunächst unterrichtete er an der Tschungking-Universität und fasste seine Gedanken in einem Manuskript zusammen. Nach der Heirat mit Angela Kwok, der Tochter eines Kaufhaus-Tycoons in der britischen Kronkolonie Hongkong, wurde Chan Shu Kai selbst Unternehmer. Erfolgreich spekulierte er mit Immobilien und trieb Handel mit begehrten Gütern. 1953 gründete das Ehepaar in Brasilien eine Textilfabrik, mit der sie weitere Millionen scheffelten. Zurück in Hongkong wurde Angela im elterlichen Kaufhausimperium aktiv, während Shu Kai erfolgreich international mit Aktien, Immobilien und Währungen spekulierte. Das Vermögen des Paars mit sechs Kindern wuchs immer weiter. Doch Shu Kai ließ der Gedanke an die soziale Verantwortung des Eigentums nicht los.
Er holte sein Manuskript hervor, das er schließlich 2002 in überarbeiteter Form unter dem Titel „Social Capitalism“ veröffentlichte (deutsche Ausgabe 2004). Das Ehepaar, dass seit 1997 in Costa Rica lebt und eine Plantage betreibt, unterstützte zunächst Universitäten in den USA. Dort studierten die eigenen Kinder und Enkel.
Ein Besuch in Marburg 2001 und ein Treffen mit einem früheren Kommilitonen brachte die Chans in Kontakt mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Das Ehepaar beschloss, eine Stiftung mit 6 Millionen Euro auszustatten, die dem WZB ermöglicht, alle zwei Jahre einen mit 100.000 Euro dotierten Preis zu verleihen sowie Post-Doc-Stipendien zu finanzieren. Der A.SK-Social Science Award, der an diesem Dienstag erstmals vergeben wird und einer der höchstdotierten sozialwissenschaftlichen Auszeichnungen ist, soll Forschungen würdigen, die gesellschaftliche und politische Reformen anstoßen. Erster Preisträger ist der britische Ökonom Sir Anthony Atkinson.
SVEN HANSEN