: Aufstand im Bremer Westen
SCHULPOLITIK Nach den Sommerferien hat die Bildungssenatorin angekündigt, die Berufsschüler an der Langen Reihe sollten da raus – um Platz für eine Oberschule zu machen. Dagegen formiert sich Protest
Barbara Larisch, Lehrerin i.R.
„Die Schule ist fassungslos“, sagt Barbara Larisch. Lange Jahre war sie in der Schulleitung am Schulzentrum Walle in der Langen Reihe. Sie hat die Reform des beruflichen Schulzweiges dort geplant und durchgeführt, war zuständig für einen Neubau, der speziell aufs innovative pädagogische Konzept der beruflichen Bildung abgestimmt ist – projektorientierter und „Lernfeld“-Unterricht findet dort statt, ein bundesweit beachtetes, preisgekröntes Modell. Eigentlich ist Larisch im Ruhestand. Aber seit einigen Tagen ist sie wieder fulltime engagiert – wie früher. Denn ihre Schule soll zerschlagen werden.
„Wir haben einen sehr schönen Standort für unsere dualen Bildungsgänge in der Langen Reihe, der für unsere Schulkonzeption gebaut worden ist“, sagt auch Erika Hötte, die derzeitige Leiterin für den Bereich Berufsschule. Mehr darf sie nicht sagen, die Schulbehörde verbietet es den Schulleitungen, die Interessen ihrer Schule öffentlich zu vertreten.
Um so lauter spricht Barbara Larisch, die Vorgängerin. „Mir kann man nichts mehr anhaben“, erklärt sie ihre Freiheit. „Das Schlimme ist die fehlende Wertschätzung für die berufliche Bildung“, sagt sie. Das hat der Arbeitskreis der Direktoren der Beruflichen Schulen in dieser Woche in einem Offenen Brief an die Senatorin auch gesagt und Renate Jürgens-Pieper (SPD) vorgeworfen, „die berufliche Bildung als Steinbruch“ für ihre bildungspolitischen Ziele – die Oberschule – zu nutzen. Denn die Berufsschüler sollen aus den mit viel Engagement ausgebauten und für sie neu gebauten Räumen raus – weil eine Oberschule dort einziehen soll.
Das alte Schulgebäude am Waller Ring würde frei, wenn die Sekundarstufe dort auszieht – „da müsste sehr viel Geld investiert werden, um es für unseren Bedarf umzubauen“, sagt Larisch. Davon ist bisher keine Rede. Stattdessen sind sechs Millionen Euro eingeplant, um zwei Zusatzbauten auf dem Schulhof Lange Reihe zu errichten.
Missachtung kommt fürs Kollegium an der Langen Reihe auch darin zum Ausdruck, dass niemand mit ihnen redet. Ein erfahrener Schulpolitiker wie der frühere Schulleiter Helmut Zachau hätte sich das nicht gefallen lassen. Aber der ist seit Sommer im Ruhestand. Der neue Schulleiter ist erst drei Monate im Amt und noch in der Probezeit. Nach den Sommerferien wurde er informiert, dass es solche Pläne gebe, im November werde entschieden. Seitdem ist Funkstille. Ziel sei es, eine Oberschule mit Oberstufe in Walle zu bekommen, sagt die Sprecherin der Senatorin, aber das Schulgebäude am Waller Ring reiche nicht für ein Ganztagsangebot.
„Das in der Langen Reihe würde ausreichen.“ Aber behördenintern sei nichts entschieden, derzeit würden die Kosten beraten. Das gymnasiale Angebot mit seiner guten, durchlässigen Kooperation mit der beruflichen Bildung sei eben attraktiv – an der Langen Reihe wie auch am Rübekamp, sagt der frühere Schulleiter Helmut Zachau. Deswegen werde es zerschlagen – der Senatorin fehlten die Oberstufenschüler in ihren Oberschulen. Die Ärztekammer fürchtet einen „Qualitätsverlust der beruflichen Bildung“. Und der Ortsamtsleiter Hans Peter Mester sagt: „Ich erwarte, dass der Beirat da vor einer Entscheidung beteiligt wird. Darauf legen wir wert.“
KLAUS WOLSCHNER