: Wulffs Wahl-Kampf für Karmann
Niedersachsen gibt fast 1.800 Mitarbeiter des Osnabrücker Autozulieferers noch nicht verloren. Das Unternehmen selbst hingegen hüllt sich in Schweigen und kommentiert den Abbau nicht weiter
2005 waren in Rheine und Osnabrück noch 6.438 Mitarbeiter beschäftigt, 2006 sank die Zahl um fast 14 Prozent auf 5.561. Weltweit beschäftigt der Autobauer rund 7.281 Menschen, 1.200 davon arbeiten im Ausland, Tendenz steigend. Laut Karmann tragen die globalen Niederlassungen „wesentlich zur Auftragsgewinnung bei, wovon insbesondere die deutschen Standorte profitieren“. GBE
VON GRIT BEECKEN
Der Osnabrücker Bürgermeister ist krank, der Sprecher der Karmann-Geschäftsführung, Peter Harbig, will sich nicht äußern – nachdem vorgestern bekannt wurde, dass der Autobauer BMW seinen neuen Geländewagen in Österreich statt in Niedersachsen fertigen lassen will, herrscht allenthalben betretenes Schweigen. Denn mit der Entscheidung sinkt die Hoffnung auf den Erhalt von 1.770 Arbeitsplätzen bei Karmann drastisch. Betroffen ist neben dem niedersächsischen Werk auch die Karmann-Fertigung im nordrhein-westfälischen Rheine.
Die IG Metall und niedersächsische Politiker hingegen finden klare Worte. „Für den Moment können wir die Entscheidung nur bedauern“, sagte Wulffs Sprecherin, Nina Hacker. Die Schlacht geben die Niedersachsen jedoch noch nicht verloren. Man führe Gespräche in der Sache, sagte Hacker. Einzelheiten würden jedoch derzeit noch nicht bekannt gegeben, um ein Fortkommen in der Sache nicht zu erschweren. Der gebürtige Osnabrücker Wulff, dem am 27. Januar 2008 Wahlen ins Haus stehen, sieht im Karmann-Stellenabbau derzeit „das einzige ungeklärte Problem der Landesregierung“ und ist um Vermittlung bemüht.
Der Osnabrücker IG-Metall-Geschäftsführer Hartmut Riemann übte gestern harte Kritik an BMW. Die Münchener hätten bei der Entscheidung gegen Karmann mit den Hoffnungen von Menschen gespielt, bei denen es um Existenzen gehe. Die Entscheidung sei ein Rückschlag. Die IG Metall hatte sich laut Wulff im Vorfeld der Entscheidung sehr um eine niedersächsische Fertigung bemüht.
Von einem „schmerzhaften Aderlass für die Stadt Osnabrück“ spricht Stadtkämmerer Karl-Josef Leyendecker. Karmann sei einer der wichtigsten Arbeitgeber der Stadt, der Name des Karosseriebauers eng mit der Stadt verbunden. Man setze jetzt große Hoffnungen auf Projektgesellschaften, die die Mitarbeiter auffangen sollten. Ob es diese Gesellschaften schon gäbe, wollte Leyendecker nicht kommentieren. Er sagte lediglich, die Stadt Osnabrück könne sich hier leider nicht unmittelbar engagieren.
Auch Karmann-Sprecher Christian Eick äußerte sich nicht zu der Frage, inwiefern für die von der Kündigung bedrohten Mitarbeiter derzeit schon Sorge getragen wird. Er bezeichnete die Nachricht als ein „Nicht-Ereignis“. Gegenüber dem Stand vom Oktober gäbe es derzeit keine Veränderung. Karmann hatte bereits vor zwei Monaten angekündigt, 1.800 von insgesamt 5.000 Stellen in Deutschland zu streichen, da Aufträge zum Bau kompletter Autos ausgeblieben waren. Die Aussicht auf einen BMW-Auftrag hatte bei Belegschaft und Betriebsrat Hoffnungen geweckt, das Ruder noch herumreißen zu können.
Ein BMW-Sprecher begründete die Entscheidung für den österrreichischen Karosseriebauer Magna Steyr mit den sehr guten Erfahrungen in der bisherigen Zusammenarbeit. Magna Steyr fertigt bereits das Geländemodell X3 für BMW. Durch die Auftragsvergabe an die Österreicher könne man den neuen Geländewagen nun schnellstmöglich auf den Markt bringen, sagte BMW-Produktionsvorstand Frank-Peter Arndt.
„Wir haben uns in dieser Sache nicht gegen den Standort Deutschland, sondern für den Standort Europa entschieden“, hieß es beim Münchner Autobauer weiter. Außerdem kooperiere man durchaus mit Karmann. Unter anderem baue der Zulieferer BMW-Dachsysteme – für Karmann ein Wachstumsmarkt. Mit dem Ausbau der Sparte will das Unternehmen ein Gegengewicht zum bislang dominierenden Fahrzeuggeschäft bilden. Gefertigt werden die Dachsysteme an sieben Standorten weltweit – darunter drei in Deutschland.
Die Karmann-Gruppe erzielte 2006 mit rund 7.000 Mitarbeitern weltweit einen Umsatz von 1,9 Milliarden Euro. Laut einem Zeitungsbericht war das Unternehmen im Bieterkampf um den BMW-Auftrag zu Kosteneinsparungen in dreistelliger Millionenhöhe bereit gewesen.