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Archiv-Artikel

Zweimal „Feuer und Flamme“

KIEL Die Landeshauptstadt will Austragungsort der Olympischen Segelwettbewerbe werden – gleich zwei Areale sind dafür im Gespräch

Sportliche Rekorde sind nicht zu erwarten: Ein Drittel der Olympia-Schwimmhalle ist an diesem Tag für die „ruhige Bahn“ abgesperrt, der Blick durch die Glaswand zeigt vor allem Ältere, die ihre Runden ziehen. Im Olympiazentrum in Schilksee bei Kiel, wo im Spätsommer 1972 die Jugend der Welt um Medaillen kämpfte, herrscht im Frühling 2015 beschauliche Ruhe.

Die Restaurants und Läden, die in den Betonbauten des ehemaligen olympischen Dorfs untergebracht sind, haben noch geschlossen. Vor den Wohnhäusern der Athleten, in denen nun Privatwohnungen untergebracht sind, stehen Blumenkübel, auf den Grünflächen blühen Krokusse und mildern die kantige Wucht der Gebäude ab. Auf dem Hafengelände sind nur wenige Skipper unterwegs, um die Boote für die Saison vorzubereiten. Die meisten Schiffe liegen hochgebockt an Land. Dabei locken die sanfte Brise mit ihrem Aroma aus Salz und Tang und der seidige Himmel dazu, die Segel zu setzen. Jenseits des Hafens öffnet sich die Kieler Förde zur Ostsee: Das Revier gilt als eines der besten der Welt, jährlich trifft sich die internationale Seglerelite zur „Kieler Woche“.

Schon zweimal erlebte die Landeshauptstadt Olympische Spiele – die NS-Feier 1936 und die von Terror überschatteten Spiele 1972. Nun ist die Stadt „Feuer und Flamme“ dafür, im Jahr 2024 neben Hamburg der Austragungsort für den Wassersport zu werden. Dafür gibt es gleich zwei Standorte: Das Gelände in Schilksee, an dem eine Tafel an der Hafenmeisterei an die Wettkämpfe von 1972 erinnert, und eine Fläche im Kieler Stadtteil Holtenau, auf dem bis vor Kurzem Hubschrauber der Marine stationiert waren. Über die Frage, was mit dem „MFG5“-Gelände – „Marinefliegergeschwader 5“ – geschehen solle, herrschte bisher Unklarheit. Nun könnte dank Olympia ein modernes Sport- und Wohnzentrum entstehen, das ein paar Kilometer näher an der Innenstadt liegt als Schilksee.

Noch sieht Holtenau wenig Olympia-tauglich aus. Die Straßen des Ortsteils, der vom Kieler Zentrum durch den Nord-Ostsee-Kanal getrennt ist, laufen in engen Kurven Hügel hinauf und hinunter, vorbei an Häusern mit bunten Fassaden und geputzten Vorgärten. Jenseits dieses eng bebauten Stadtviertels liegt auf einem Hügel der Kieler Flughafen, auf dem heute Sportflieger abheben. Daran schließt sich in Richtung der Förde das ehemalige Militärgelände an. Jahrelang war es abgesperrt, inzwischen dürfen Fußgänger die Wiesen und rissigen Rollbahnen erkunden.

Wenn Olympia nach Kiel kommt, könnten auf 75 Hektar neue Gebäude entstehen, ein Architektenentwurf zeigt mehrere Wohnblocks und eine Reihe von Häusern dicht am Wasser. Der heutige kleine Sport- und Seglerhafen würde ausgebaut werden. „Einzigartig, zukunftsweisend“ sei das Gebiet, so die Stadt in ihrer Eigenwerbung. Für Holtenau spricht, das es dicht an der Innenstadt liegt, passend zum Hamburger Konzept der kurzen Wege.

Und eben mit diesem Argument könnten am Ende sowohl Kiel-Schilksee wie Kiel-Holtenau verlieren. Denn richtig kurz ist der Weg von Hamburg nach Lübeck-Travemünde. Die Hansestadt stellt sich wie Rostock als Konkurrentin für die Landeshauptstadt Kiel auf.  ESTHER GEISSLINGER