: Gefahrenzone Geschenk
Viel wurde über die hohe Kunst des Schenkens geschrieben. Über die Unbilden des Beschenktwerdens spricht dagegen kaum jemand. Dabei fangen die schon bei der Feinmotorik an
VON PETRA SCHELLEN
Das Schöne am Schenken ist ja, dass man daran so deutlich den Stand der Beziehung ablesen kann: Hat der andere Individuelles oder Unverbindliches ausgesucht? Hat er etwa geschenkt, was ihm selbst gefiel; hegt er gar, falls verwandt, die stille Hoffnung, dass das Kleinod in der Familie und somit ein bisschen auch in seinem Besitz bleiben möge? Hat er sich über die eventuelle Unterbringung klobiger Gegenstände Gedanken gemacht, sprich: die Wohnungsgröße seines Opfers berücksichtigt?
Vielfältig sind die Chancen, schenkenderseits ins Fettnäpfchen zu treten. Der Unterhaltungswert der so erzeugten Situationen ist – für Außenstehende – naturgemäß groß. Nicht berücksichtigt wird dabei aber meist, was der Beschenkte seinerseits an Taktlosigkeiten zu bieten hat. Ein erwähnenswerter Forschungsgegenstand, denn die Palette ist da durchaus breit: Von unbedachten „Super! Hab ich schon!“-Ausrufen bis zum schnöden „So was würde ich mir ja nie kaufen, aber meiner Tante Erika steht das bestimmt!“ reichen da die Reaktionen bei Geburtstags- und Weihnachtstagen, allesamt wenig angetan, das nachfolgende Beisammen besonders traut zu gestalten.
Völlig unerwartet dräuen aber bisweilen noch viel verheerendere Missgeschicke, die nicht einmal böse gemeint sind, sondern schlicht und ergreifend aus mangelhafter Feinmotorik resultieren. Eines dieser Art geschah mir vor etlichen Jahren; ich wohnte noch im elterlichen Domizil. Ich hatte mich soeben dem Posaunenspiel verschrieben. Übte täglich in schalldichten Räumen und mühte mich redlich zu glauben, dass die Beherrschung dieses Instruments eine Frage von Willen und Technik, nicht aber der Konstitution sei und also nur für Fettwänste geeignet sei.
Ein, zwei Töne brachte ich nach mehreren Monaten konsequenten Zwerchfelltrainings wohl auch heraus. Ich war sehr stolz. So nahte dann also der Geburtstag, selbstverständlich im erlesenen Kreis enger Freunde zu begehen, die ich also zum Frühstück lud. Groß war allseits die Freude darüber, dass die frisch aus ihrem Italien-Jahr zurückgekehrte Kumpeline dabei sein würde; gespannt erwartete man ihr Geschenk.
Das konnte sich in der Tat sehen lassen: ein mundgeblasener, zierlichster Mini-Posaunist war das nämlich, erworben in einer der exklusivsten italienischen Glasbläsereien. Ein bisschen kitschig, gut, aber als Geschenk hoch durchdacht und unendlich wertvoll. Außerdem hatte es die weiter Reise aus dem fernen Süden heil überstanden. Ein Erfolg, der bald darauf zunichtegemacht wurde; vielleicht war ja der Weg das Ziel der Aktion gewesen und nicht des Figürchens längerfristiges Überleben. Tatsache ist jedenfalls, dass mir an jenem Morgen die Figur ungefähr eine Sekunde nach Übergabe auf den guten alten Steingut-Frühstücksteller fiel. Übrig blieben zwei Teile: die Figur und die Posaune. Wir lachten es damals weg. Ganz vergessen haben wir es nie. Wenig später endete meine Posaunistenkarriere zugunsten eines Laienflötisten-Daseins. Vielleicht war der Glasbruch ein treffendes Omen gewesen...