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„Es war ein Justizskandal“

U-AUSSCHUSS Ein LKA-Beamter erhebt scharfe Vorwürfe: Politik und Justiz sollen seine Ermittlungen gegen den Laborarzt Schottdorf stark behindert haben. Auch CSU-Politiker Peter Gauweiler gerät in den Fokus

MÜNCHEN taz | Für einen Moment scheinen die Mitglieder des Untersuchungsausschusses den Atem anzuhalten, als der Zeuge Robert Mahler sagt: „Das, was ich in den letzten acht Jahren erlebt habe, bewerte ich als Justizskandal.“

Der LKA-Beamte ermittelte von 2006 bis 2008 gegen den Augsburger Laborarzt Bernd Schottdorf und tausende Ärzte wegen Abrechnungsbetrug. Die Verfahren wurden 2009 eingestellt. Der Untersuchungsausschuss soll klären, ob die Politik Druck ausübte, um den in der CSU gut vernetzten Laborarzt Schottdorf und tausende Ärzte zu schonen.

Mahlers Aussagen legen das nahe. Bei seinen Ermittlungen sind ihm einige „Schnittmengen mit der Politik“ aufgefallen. So sei bei Schottdorf ein Tonband gefunden worden, auf dem er gesagt habe: „Es ist kaum etwas so spottbillig wie ein korrupter Politiker.“ Auch ein Strategiepapier, das er auf Schottdorfs Schlosswohnsitz fand, ließ Mahler aufhorchen. Darin stehe: Wenn Schottdorf wegen eines „Korruptionsdings“ verfolgt werde, müsse „man Millionen in die politische Landschaft einfließen lassen“. Weiter berichtet Mahler von Spenden Schottdorfs an die CSU, die ein „ziemlich deutliches Bild“ ergeben würden.

Schottdorf lässt sich in den zahlreichen Verfahren gegen ihn gern von Kanzleien prominenter CSU-Politiker wie der von Peter Gauweiler vertreten. Mahler wunderte sich, dass einer der Anwälte während der Hausdurchsuchung bei Schottdorf schon nach einer Stunde auf der Matte stand. Beim normalen Berufsverkehr zwischen München und Augsburg sei das nur „schwerlich möglich“. War der CSU-Spitzenpolitiker Gauweiler schon vorher informiert? Der Grüne Sepp Dürr las im Ausschuss ein Dokument vor, aus dem hervorgeht, dass Gespräche mit Gauweiler „mitursächlich“ dafür waren, dass die Verfahren gegen Schottdorf von München an die Staatsanwaltschaft Augsburg verlegt wurden. Dort wurden sie eingestellt.

Mahler berichtete von massiven Eingriffen der Generalstaatsanwaltschaft. Auch „Handelnde aus Ministerien“ seien immer wieder aufgetaucht. Aus einem Gespräch mit dem Justizministerium soll der Augsburger Staatsanwalt berichtet haben, „dass ein Haftbefehl gegen Schottdorf schwierig durchzusetzen sei, weil nicht gewünscht“. Auf Mahlers Frage, warum eingestellt wurde, habe ihm eine Staatsanwältin geantwortet, das habe ein hoher Beamter im Justizministerium geprüft. LISA SCHNELL

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