Nationalistisch und undifferenziert
PRESSE Die „Bild“-Zeitung hetzt seit Beginn der Krise gegen Griechenland – und fährt regelrecht politische Kampagnen. Die „Pleite-Griechen“ sind mittlerweile so etwas wie ein Kampfbegriff des Blattes
Kai Diekmann wollte wissen, wie Athen „tickt“ und ist Anfang März mit Kollegen nach Griechenland gefahren. Der Bild-Chefredakteur hat Journalisten und Politiker getroffen und euphorisch getwittert. „Ich finde es immer ganz gut, sich vor Ort ein Bild zu machen, gerade wenn man so massiv und so laut in eine Debatte eingreift, wie wir das tun“, erklärt er in einem Video auf YouTube. Nach fünf Jahren Griechenhetze erklärt Diekmann das Thema zur Chefsache.
Seit Beginn der Griechenlandkrise war sich die Bild-Zeitung für kaum eine Überschrift zu schade. „Warum zahlen wir den Griechen ihre Luxus-Renten?“, „So gut haben es Rentner in Griechenland“, „Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen … und die Akropolis gleich mit!“ Der medienkritische Bildblog hat sie alle aufgelistet. Der Unterton ist immer gleich: Wir, die hart arbeitenden, sparenden Deutschen blasen unser Geld für die verschwenderischen, raffgierigen Griechen in den Wind.
Die Medienwissenschaftler Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz haben die Griechenlandberichte der Bild schon 2010 untersucht. Ihr Fazit: Bild ignoriere die Zusammenhänge, lasse die wichtigen inhaltlichen Aspekte systematisch im Vagen und beziehe nur die Position der deutschen Steuerzahler. Es fehle an Differenzierung, Einordnung und Hintergrund.
Das zeigt sich auch in der Sprache. Die „Pleite-Griechen“ sind mittlerweile so etwas wie ein Kampfbegriff des Blattes geworden. Statt von einer Staatspleite zu schreiben, macht die Bild ein ganzes Volk verantwortlich. Der Finanzminister Varoufakis ist Griechenlands „Radikalo-Naked-Bike-Rider“ oder der „Griechen Raffke“. Nach der „Jauch“-Sendung vor einer Woche bezeichnete die Bild Varoufakis als „Lügen-Grieche“ und „Mister Stinkefinger“.
Nun ist die Bild mit ihrer einseitigen Griechenland-Berichterstattung nicht allein. Der Spiegel nannte Alexis Tsipras einen „Geisterfahrer“, für die Frankfurter Allgemeine Zeitung sind Griechenlands Regierende „Halbstarke“. Dahinter stehen oft nationalistische Argumentationen und unfaire Vorverurteilungen. An die Hetze der Bild kommen sie aber nicht heran.
Die Bild-Zeitung fährt regelrechte Kampagnen gegen Griechenland. Als die Abgeordneten des Bundestags vor knapp vier Wochen über die Finanzhilfen abstimmten, startete Bild eine Selfie-Aktion. Leser und Leserinnen sollten sich mit der Titelseite „Nein! Keine weiteren Milliarden für gierige Griechen“ fotografieren. Diekmann meldete Rekord-Teilnehmerzahlen, der Deutsche Journalisten-Verband kritisierte die Aktion. ANNE FROMM