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Archiv-Artikel

An der Verbreitung von Ideen interessiert

AUSSTELLUNG Demokratisch, unabhängig, bezahlbar – so sollte die Kunst für Klaus Staeck seit den Sechzigern sein. In der Schau „Kunst für Alle“ vermitteln viele Exponate seiner Sammlung eine besondere Aufbruchsstimmung

Große Namen sind dabei: Christo, Penck, Polke, Horn, Trockel, Richter, Meese, Rauch

VON SOPHIE JUNG

Mit der Intermedia 69 startet die Ausstellung. Rechts eine Reihe von Dokumentationsmaterial über Notizen, Heftchen, Poster und Zeitungsartikel, links schwarz-weiß rauschende Filmaufnahmen von einem Happening: „Wir brauchen kein Blut“, ruft Künstler Klaus Staeck in den Aufnahmen. „Wir können auch ohne Blut unser Ego verlieren. Können Sie es auch?“ Das ist der Beginn der Ausstellung „Kunst für Alle“ in der Akademie der Künste. Die Intermedia, die 1969 in Heidelberg mit einem Programm aus „environment – objekte – film – aktionen – happening – experimenteller musik – information“ stattfand und Künstler wie Christo, Blinky Palermo oder Jörg Immendorfs Lidl Akademie versammelte, war ein bündelndes Ereignis für eine neue Kunstbewegung. „Kunst für alle“ – dieser Slogan aus einer Plakataktion von Joseph Beuys ist programmatisch: In dieser Ausstellung, die in den sechziger Jahren ansetzt und bis in die späten Neunziger reicht, geht es um eine Kunst, die demokratisch, verbreitet, politisch, unabhängig und bezahlbar sein sollte.

Klaus Staeck, der heutige Präsident der Akademie der Künste, ist einer der wichtigsten Protagonisten dieser Kunstbewegung. Der Jurist war Aktivist und selber Künstler. Bekannt sind seine Aktionen mit Beuys, etwa „Wir betreten den Kunstmarkt“ von 1970, in der sie lautstark gegen die verschlossenen Glastüren der Kölner Kunsthalle klopften. Staeck ist aber vor allem Miterfinder und Verleger des Multiples: eine Auflagenkunst und wichtigstes Medium dieser Kunstbewegung. Das originäre künstlerische Werk wird als günstigere Editionen verbreitet und unterwandert so die Regeln des Kunstmarkts, dessen Elitismus auf Singularität und Exklusivität des Kunstwerks setzt.

Staeck ist seit 1965 Verleger des Multiples. Mit Künstlern fast aller stilistischen und konzeptionellen Richtungen arbeitete er seitdem zusammen. Auch hier war Joseph Beuys beteiligt. „Ich bin interessiert an der Verbreitung von physischen Vehikeln in Form von Editionen“, kommentierte Beuys einmal das Konzept des Multiples, „weil ich an der Verbreitung von Ideen interessiert bin.“

Die Ausstellung „Kunst für Alle“ zeigt die umfangreiche Kollektion Staecks, die er als Verleger und Sammler befreundeter Kunstströmungen angelegt hat. Objekte, Grafiken, Künstlerbücher von mehr als 150 Künstlern, die dieses Demokratisierungsmodell unterstützt haben und bis heute tragen, sind nun in den Räumen der Akademie im Hanseatenweg versammelt.

Im Zentrum steht eine dichte Anordnung der Arbeiten – von den Sechzigern bis in die Neunziger. Collagenartig, weder nach Gattung oder Entstehungsdatum sortiert, sind in dem zentralen Raum Arbeiten zusammengefügt von großen Namen wie Joseph Beuys, Marcel Broodthaers, Christo, Hanne Darboven, Jochen Gerz, Rebecca Horn, Kirsten Klöckner, A. R. Penck, Sigmar Polke, Neo Rauch, Gerhard Richter, Daniel Spoerri, Rosemarie Trockel, Wolf Vostell, Olaf Nicolai oder Jonathan Meese. Gemeinsam entwerfen sie ein Panorama der gesellschaftspolitischen Geschichte der Bundesrepublik. Ob Joseph Roths in Schokolade eingegossener „Gartenzwerg“ von 1970 – von Staeck in einer Auflage von 200 Stück verlegt –, Hans Haackes „Silberblick“ von 1990, auf der Helmut Kohl zwei D-Mark-Münzen unter die Brille kollagiert wurden, oder Staecks provozierende Plakataktionen in den Siebzigern; alle diese Exponate zeigen in einer assoziativen Aneinanderreihung das Subversive und Unangepasste dieser genreübergreifenden Kunst.

Frei und unabhängig zu agieren, dieser Wunsch ließ zahlreiche Künstlerinitiativen und Autorenkollektive seit den sechziger Jahren entstehen. Staecks Editionen spiegeln nur einen Teil dieser Kunstbewegung wider. Seine Sammlung greift aber auch Dokumente dieser befreundeten Gruppen auf. Die Akademie der Künste widmet ihr eine eigene Sektion in der Ausstellung. Sei es die Gruppe Clara Mosch, die von 1977 bis 1982 in der DDR mit Happenings auf sich aufmerksam machte, das kanadische Kollektiv General Idea, das sich bekannte Drucksachen wie die Zeitschrift Life oder Briefmarken zueigen machte und mit Bildern und Inhalten verfälschte, oder die Grafikertruppe Grapus, die später die Zeitschrift Charlie Hebdo gründete – sie alle geben ein Porträt von der Aufbruchstimmung dieser Zeit ab.

Dass bei einer demokratischen Kunst, die jeden erreichen soll, Namen und Stars der Kunstszene hinten angestellt werden sollten, greift auch die Ausstellung auf. Namen werden nicht angegeben, sondern sind in einem umfangreichen Index nachzulesen.

Dennoch, die Insignien eines Beuys – sein Hut, seine Malerweste – oder die Aids-Briefmarken von General Idea zeigen, dass auch diese „Kunst für Alle“ ihre Ikonen hervorgebracht hat.

■ Akademie der Künste, Hanseatenweg, bis 7. Juni