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Archiv-Artikel

Ende einer Türsteher-Karriere

Zehn Jahre und sechs Monate muss ein 25-jähriger Albaner ins Gefängnis, weil er im Januar 2006 auf der Discomeile an einer Schießerei verfeindeter Clans beteiligt war. Verteidigung will Revision

„Beide Seiten haben den Konflikt gewollt“, sagt das Landgericht in seinem Urteil

von Jan Zier

Knapp zwei Jahre nach der Schießerei auf der Discomeile ist einer der Beteiligten zu einer Haftstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das Landgericht Bremen verurteilte den 25-jährigen Albaner L. wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und unerlaubten Waffenbesitzes. Mit diesem Urteil ging das Gericht auch über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus, die für neuneinhalb Jahre Haft plädiert hatte. Die Verteidiger hatten eine Strafe von höchstens sieben Jahren beantragt. Sie erachten das Urteil als „zu hart“, warfen dem Gericht „massive Fehler“ vor – und kündigten umgehend an, Revision vor dem Bundesgerichtshof einzulegen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Türsteher des „Tollhaus“ in einer bewaffneten Auseinandersetzung rivalisierender Türsteher-Clans vier Menschen verletzt hatte, zwei von ihnen lebensgefährlich. Bei dem vor laufendem Amüsierbetrieb ausgetragenen Streit vor dem „Beatclub“ auf der Discomeile waren insgesamt neun Menschen verletzt worden, vier von ihnen schwer.

Der bereits seit gut zwei Jahren in U-Haft sitzende Angeklagte nahm das Urteil äußerlich ruhig und gefasst auf. Er muss jetzt noch eine weitere Haftstrafe verbüßen: Das Amtsgericht Bremen hatte ihn wegen Menschenhandels und Zuhälterei bereits zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt.

Die Schießerei im Januar 2006 sei der „traurige Höhepunkt“ eines sich seit längerem anbahnenden Konflikts gewesen, sagte der Richter in der mehrstündigen Urteilsverkündung. Die Lage zwischen den benachbarten Lokalitäten „Tollhaus“ und „Beat-Club“ sei „hochexplosiv“ gewesen: Die beiden Türen lagen seit 2005 in der Hand miteinander verfeindeter Clans, die beide um die Vorherrschaft auf der Meile kämpften. Und um ihre Pfründe. Der „Jacky“ genannte L. verdiente als Türsteher des „Tollhaus“ laut Gericht monatlich 2.200 Euro netto. Beide Clans seien „absolut gewaltbereit“, und „zum Äußersten entschlossen gewesen“, so das Gericht. „Beide Seiten haben den Konflikt gewollt.“ Und deshalb die vorhandenen Spannungen „wechselseitig geschürt“.

An jenem Abend war zunächst L. Opfer eines tätlichen Angriffs geworden, in Reaktion auf eine ihm zumindest zugeschriebene Diskriminierung und Bedrohung von „Arabern“. Im Gegenzug wollte L. „sich wehrhaft“ zeigen, so das Gericht, und dem zahlenmäßig überlegen Clan um die Familie M. „die Stirn bieten“. Rasch seien Verbündete zusammengetrommelt und mehrere Schusswaffen beschafft worden. L, der nicht nur eine Browning vom Kaliber 7,65 bei sich trug, sondern auch ein schusssichere Weste, wurde schon seit längerem eine „Affinität“ zu derlei Waffen nachgesagt. Die „Initiative“ zum letztendlichen Schusswechsel, gab sich das Gericht überzeugt, sei von L. ausgegangen. Die Verteidigung bestreitet das vehement.

Die Verhandlung gegen den in einfachen Verhältnissen aufgewachsenen L. lief bereits seit August 2006, musste jedoch wegen mehrerer erkrankter RichterInnen praktisch völlig neu aufgerollt werden. Im ersten Verfahren wäre L. zu höchstens neun Jahren Haft verurteilt worden, vorausgesetzt, er hätte ein Geständnis abgelegt. Dies hatte er im zweiten Verfahren zwar nachgeholt – dabei jedoch nach Überzeugung des Gerichts falsche Angaben gemacht – und überdies die nötige Reue vermissen lassen.