: NPD setzt auf lokale Verankerung
Einer für die Kirchgänger, einer für die Jäger: Bei der Niedersachsen-Wahl in sechs Wochen will die NPD mit vermeintlichen Biedermännern in den Gemeinden punkten
GROSS DENKTE ■ taz Das Namensschild erinnert noch an seinen Job. Handgearbeitet aus Naturholz, es stammt aus der Zeit, als Andreas Molau noch Lehrer der Waldorfschule in Braunschweig war. Heute ist er Spitzenkandidat der NPD für die Landtagswahl in Niedersachen. Er will mehr als 6 Prozent holen. Und hofft dabei auf die Verankerung der Kandidaten in den Gemeinden. „Unsere Partei ist nicht beliebt“, meint Molau, aber „das Personal schon“.
Molau lebt in Groß Denkte, einem Dorf bei Wolfenbüttel. „Das ist ein Mann, der mit den Bürgern sprechen kann“, schwärmt der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt. In seiner eigenen Gemeinde ist Molau damit bisher nur mäßig erfolgreich. Wenige kennen ihn. Im Vereinsleben tauche „Herr Molau“ nicht auf, sagt Vizebürgermeister Jan-Christian Müller von den Grünen.
Doch auch wenn der Spitzenkandidat in seinem eigenen Revier nicht punktet – die 18 gewonnenen Mandate bei der Kommunalwahl 2006 wecken bei den Rechtsextremen Hoffnungen. Vor Ort sollen die NPD-Kandidaten mit lokalen Themen auftreten. Flugblätter sind in Plattdeutsch verfasst, Denkzettel greifen vermeintliche kommunale Korruption auf. Bürgernah und wählbar möchten die NPDler und ihre Helfer von den Freien Kameradschaften erscheinen. VW-Skandal und Förderung der Landwirtschaft sind eher harmlose Wahlkampfschlager, zwischen denen die Rechtextremen ihre härteren Forderungen verstecken. So wollen sie an den Schulen gern ein wenig Apartheid einführen und fordern rein deutsche und rein ausländische Klassen. Bisher haben die Nationaldemokraten mit diesen Losungen nicht den von ihnen gewünschten Erfolg, die Partei kommt in der neuesten Umfrage nicht mal in die Nähe eines Parlamentssitzes.
Dennoch ist unbestreitbar: Gerade auf dem Land hat die NPD inzwischen Kandidaten, welche auch für die bürgerliche Mitte wählbar sein könnten. Das lässt die Rechtextremisten hoffen, schließlich fing es in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen ähnlich an – dort sitzt die Partei heute im Landtag. In Süpplingen bei Helmstedt ist der NPD-Kandidat Adolf Preuß mehr als bekannt. Der Landwirt ist beliebt. Seit fast 40 Jahren sitzt er im Gemeinderat und seit beinahe zwanzig Jahren im Kirchenvorstand. Über Monate läuft nun ein Streit über seine Kirchentätigkeit. Politische Gespräche, gesteht Pfarrer Bernhard Sieverling, habe er mit Preuß nie geführt. Jetzt erklärte die Propstei, eine NPD-Mitgliedschaft sei mit einem Kirchenamt unvereinbar. Bis 14. Dezember soll er die NPD verlassen. „Ne, das mach ich nicht“, sagt Preuß. Auf Platz 17 der Landesliste kandidiert er, sein Bruder Friedrich, Ratsherr in Helmstedt, auf Platz 8.
Um Jugendliche bemüht sich die NPD auch in Bad Lauterberg. Vor längerem warnte Manfred Struck, Leiter der Lutterbergschule: „In der schulfreien Zeit hingen einschlägig bekannte junge Erwachsene mit Jugendlichen auf dem Schulhof ab.“ Ein Anlaufspunkt ist ein Tattoo-Laden, den Mitglieder der Rechtsrock-Band „Agitator“ betreiben. Sie wohnen in dem Kurort wie das Liedermacherpaar Michael und Annett Müller – beide kandidieren für die NPD.
Nicht ohne Grund. Im Harz hoffe die NPD auf großen Zuspruch, sagt der grüne Ratsherr Fritz Vokuhl. Auf Platz 4 der NPD-Liste steht auch der NPD-Stadtrat Michael Hahn. Er weiß, dass er Freunde im Ort hat. Die lokale Verankerung tragen zudem alteingesessene Familien mit, wie ein Apotheker im Ruhestand oder die Söhne eines Wirtes.
Auf Platz 2 der Landesliste steht Friedrich Werner Graf von der Schulenburg aus Hameln. Die „Lobby der Jäger“ spreche der Juwelier und Jäger an, sagt Molau. Einen kleinen Laden unterhält Schulenburg, einst bei den „Republikanern“ und seit 2006 in der NPD. Rechtskonservative will die NPD durch biedere Lebensläufe ansprechen.
Eine Frau findet sich bisher nicht auf den ersten zehn Listenplätzen. Bei den Versuchen der NPD, in den Kommunen zu punkten, bemüht sich aber Ricarda Riefling. Ihr Mann, Dieter Riefling, lange Kader der Freien Kameradschaften, ist Kandidat für Hildesheim. Ricarda Riefling, selbst in der Szene, brachte sich im Sportverein ihres Wohnortes Coppengrave ein. Medienberichte über ihre Hilfe im TSV lösten Debatten aus. „Ricarda wird sehr geschätzt“, sagte Ehrhard Ziemke, Chef des TSV, damals. Nun erklärt er: „Ich gebe keine Auskunft mehr.“ Vielleicht weil stimmt, was sie behauptet: die Funktion aufgegeben zu haben, um „Schaden vom Verein“ abzuwenden. ANDREA RÖPKE, ANDREAS SPEIT