Nazis sammelten alles, was in ihr Feindschema passte

NAZI-TERROR Berliner Institutionen sehen Liste der Zwickauer Neonazi-Mörder mit Gelassenheit

„Wir nehmen das zur Kenntnis“, sagt Harald Bock unaufgeregt. Eine aktuelle Bedrohung sehe er nicht, so der Generalsekretär der Deutsch-Arabischen Gesellschaft. Der Kulturverein ist, wie nun bekannt wurde, eine von mehr als 230 Berliner Institutionen und Personen, die auf einer Rechercheliste der Neonazi-Mörder Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt auftauchen.

Die Liste soll zwischen 2004 und 2006 zusammengestellt worden sein. Ermittler fanden die Daten auf einem USB-Stick im abgebrannten Haus des Trios in Zwickau. Mehr als 10.000 Namen und Adressen sollen darauf vermerkt sein. Für Berlin sind laut Tagesspiegel mehrere Parteibüros von SPD und CDU, das Abgeordnetenhaus, Moscheevereine, jüdische Einrichtungen, aber auch die Botschaften der USA und Vietnams vermerkt – offenbar alles, was ins rechtsextreme Feindschema passt. Unter den wenigen persönlich genannten Politikern befindet sich Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD).

„Wir haben Betroffene angeschrieben, teilweise auch Gespräche geführt“, so ein Polizeisprecher. Levi Salomon von der Jüdischen Gemeinde Berlin nimmt die Benachrichtigung ernst. „Natürlich beunruhigt so etwas.“ Allerdings schienen die Adressen ohne genauere Ortskenntnis aus dem Internet oder aus Telefonbüchern zusammengetragen, vermutet Salomon. Auch das BKA hält die Liste für willkürlich, konkrete Gefahr für die Genannten bestehe nicht. Frühere Wegbegleiter berichten von einer Datensammelwut von Böhnhardt und Mundlos, beide hätten bereits vor ihrem Untertauchen 1998 Kennzeichen von Zivilpolizistenautos gesammelt.

Auch für Brandenburg werden auf der Liste 198 Namen und Institutionen genannt, darunter Innenminister Dietmar Woidke, Bildungsministerin Martina Münch (beide SPD), jüdische Gemeinden, Asylbewerberheime und Einrichtungen der Bundeswehr. Die Spur der Nazi-Mörder führt auch konkret ins Märkische: Vor drei Wochen wurde in Grabow André E. festgenommen, er soll das Bekennervideo zu den Morden gebastelt haben. E. befand sich auf dem Hof seines Bruders, eines umtriebigen Neonazi-Aktivisten. KONRAD LITSCHKO