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Archiv-Artikel

Marktwächter starten

FINANZEN UND DIGITALES Verbraucherzentralen wollen schlechten Anbietern auf die Finger klopfen und auch die Verantwortlichen öffentlich nennen

BERLIN taz | Die Verbraucherzentralen prangern schlechte Finanzprodukte und Nepp bei digitalen Geschäften bald öffentlich an. Für beide Branchen übernehmen die Einrichtungen nun eine vom Bund finanzierte Marktwächterfunktion, wie das Bundesverbraucherschutzministerium und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) am Donnerstag mitteilten. „Wir wollen Missstände aufdecken“, sagt vzbv-Chef Klaus Müller.

Die Verbraucherzentralen aus zehn Bundesländern teilen sich die Aufgaben. Sie werten zuerst die Ergebnisse der eigenen Beratungen aus, um zu teuren, riskanten oder dubiosen Angeboten systematisch auf die Spur zu kommen. Die Erkenntnisse werden gebündelt. Auf diese Weise erkennen die Fachleute schnell, wenn ein Anbieter zu Lasten der Verbraucher agiert. Schneeballsysteme würden so etwa frühzeitig auffallen und es könnte vor ihnen gewarnt werden.

Die Erkenntnisse bereiten die Marktwächter für die amtlichen Kontrollstellen auf. Im Falle des Finanzmarktes kommen dann zum Beispiel das für Finanzen zuständige Bundesaufsichtsamt Bafin oder bei digitalen Geschäften die Bundesnetzagentur zum Zuge. Die Behörden sollen die Fälle dann aufgreifen und sich die Anbieter vorknöpfen.

Verstoßen Anbieter gegen geltendes Recht, sollen sie von den VZ auch direkt öffentlich genannt werden. Zudem können die Marktwächter schwarze Schafe der beiden Branchen abmahnen oder Verbandsklagen anstreben. Noch in diesem Jahr will Müller ein Internetportal einrichten. Analog des bereits bestehenden Portals Lebensmittelklarheit können Verbraucher hier ihre Erfahrungen mit Finanzprodukten einbringen. Die Marktwächter prüfen die Vorwürfe und wollen bei Verstößen auch die dafür Verantwortlichen angeben. Beim Vorbild geht es um die Verbrauchertäuschung bei Lebensmitteln. Dieser Internetpranger ist erfolgreich: Jedes dritte dort erwähnte Produkt wird von der Industrie verändert. Einen ähnlichen Effekt verspricht sich Müller bei Riester-Renten oder Fondssparplänen.

„Wir wollen, dass Kleinanleger und Sparer besser vor schlechten Produkten geschützt werden“, erläutert der Staatssekretär im Verbraucherministerium, Ulrich Kelber. 5,6 Millionen Euro stellt der Bund dafür bis 2017 jährlich bereit. Nötig ist die Unterstützung der Anleger: So hat der vzbv bei der Auswertung Hunderter Beratungsgespräche massive Probleme der Verbraucher mit Finanzprodukten festgestellt. Acht von zehn Haushalten haben wenigstens einen Vertrag unterschrieben, der nicht ihrem Bedarf entspricht.

Noch stecken die Marktwächter im Aufbau. In diesem Jahr will der vzbv aber schon mit ersten Ergebnissen aufwarten. Im zweiten Halbjahr soll unter anderem eine Sonderuntersuchung der Werbung und des Vertriebs im grauen Kapitalmarkt vorgelegt werden. Bei einer Untersuchung in der digitalen Welt widmen sich die Experten den Buchungs- und Vergleichsportalen im Internet. WOLFGANG MULKE