: Und es bewegt sich doch was
WISSENSCHAFT Die Berufsaussichten für HochschullehrerInnen in Deutschland sind schlecht. Das soll sich ändern. Die Max-Planck-Gesellschaft geht voran und ändert ihre Karrierebedingungen
BERLIN taz | Fast vierzig und immer noch Nachwuchs – so geht es vielen Wissenschaftlern in Deutschland. Über 80 Prozent der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen arbeiten auf zeitlich befristeten Stellen, die Verträge laufen oft nur wenige Monate. Eine feste Stelle winkt in der Regel erst mit Anfang 40 – dem durchschnittlichen Erstberufungsalter auf eine Professur. Doch diese sind so begehrt, wie rar. Dass etwas falsch läuft im System, haben alle längst erkannt. Nun steuern die ersten Institutionen tatsächlich dagegen.
Die 82 Institute der renommierten Max-Planck-Gesellschaft (MPG) werden künftig alle Doktorandinnen und Doktoranden vertraglich und für mindestens drei Jahre anstellen. Auch bereits promovierte Nachwuchswissenschaftler werden künftig nur noch über Arbeitsverträge beschäftigt. Am Mittwoch stellte die Gesellschaft ihre neuen Ausbildungs- und Karrierebedingungen vor.
Bisher hatte die Mehrheit der 5.000 Promovierenden an den Max-Planck-Instituten ein Stipendium. Auch die Zahl der Post-Docs, die auf Stipendienbasis forschten, wuchs. Das war für die Institute billiger, denn so sparten sie die Abgaben für Renten- und Sozialversicherung. Die Nachwuchsforscher hatten gegen diese Billig-Praxis vor drei Jahren mit einer Petition protestiert.
Nach Auskunft der MPG hatte eine Umfrage unter den Doktoranden die Unzufriedenheit bestätigt. Daraus zog die Gesellschaft Konsequenzen. Das kostet die Kaderschmiede immerhin fast 50 Millionen Euro pro Jahr. „Geld, das wir auch in drei neue Institute hätten stecken können, geht nun in die Nachwuchsförderung“, sagte Max-Planck-Sprecherin Christine Beck der taz. Damit sei man Vorreiter.
Andreas Keller, Wissenschaftsexperte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bestätigt das Eigenlob: Die Richtlinien seien ein wichtiges Signal, die Attraktivität des Arbeitsplatzes Forschung zu verbessern.
Das sieht man im Bundesbildungsministerium genauso. Einen großen Wurf nannte Staatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen den Vorstoß der MPG. Die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hatte erst am Dienstag auf der Jahrestagung des Deutschen Hochschulverbandes ein Programm angekündigt, mit dem Tenure-Track-Stellen geschaffen werden sollen, also Dauerstellen auf Probe. Ihr Ministerium teilte mit, man wolle darüber Mitte April mit den Ländern reden.
Der Koalitionspartner zeigte sich von dieser Ankündigung freudig überrascht. Die SPD hat immer wieder den Gedanken eines Paktes für den wissenschaftlichen Nachwuchs fallen gelassen. „Wir möchten, dass davon 1.000 zusätzliche Professorenstellen geschaffen und Anreize gesetzt werden, um den Mittelbau zu stärken“, sagte die zuständige SPD-Berichterstatterin Simone Raatz der taz.
SPD und Union verhandeln derzeit über Änderungen am Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das die Kettenbefristungen von WissenschaftlerInnen erst ermöglicht. Da strebe die Union derzeit nur partielle Änderungen an, sagte Tankred Schipanski, CDU-Mitglied im Bildungsausschuss, der taz.
ANNA LEHMANN