: Vorerst nur ein bisschen Baustopp
GORLEBEN Neue Stollen sollen nicht mehr gegraben werden. Doch die Weitererkundung verhindert einen Konsens
AUS BERLIN MALTE KREUTZFELDT
Sie haben lange gerungen, und sie wollten möglichst alle dabei sein, als die Ergebnisse präsentiert wurden: Mit eineinhalb Stunden Verspätung drängen sich Bundesumweltminister Norber Röttgen (CDU) und die Vertreter von fünf Bundesländern am späten Donnerstagabend vor drei Mikrofone, um zu verkünden, dass sie sich in der Frage der Endlagersuche angenährt haben – aber noch nicht endgültig geeinigt.
Die wichtigste Nachricht des Abends verkündet Röttgen erst, als die grüne Wirtschaftsministerin aus Rheinland-Pfalz, Eveline Lemke, ihn daran erinnert: Im Salzstock Gorleben werde es ab sofort „keine weiteren Streckenauffahrungen“ und damit „keinen weiteren Ausbau des untertägigen Bergwerks“ geben. Das Erschließen eines neuen Erkundungsbereichs, der im aktuellen Betriebsplan eigentlich vorgesehen ist, kann darum bis auf weiteres nicht umgesetzt werden.
Während Lemke die Entscheidung als faktischen „Baustopp“ bewertete, vermied Röttgen diesen Begriff – und betonte stattdessen, dass in Gorleben trotzdem weitergearbeitet werde: „Wir haben festgehalten, dass Gorleben Vergleichsstandort bleibt“, sagte er. Die Erkundungsarbeiten im Salzstock, also etwa Bohrungen zur Untersuchung der Salzstruktur, gehen darum zunächst weiter.
Ob es dabei bleibt, ist offen. SPD und Grüne erklärten sich zwar damit einverstanden, dass Gorleben als möglicher Vergleichsstandort im Rennen bleibt. Sie hielten aber an ihren Forderungen fest, sofort einen kompletten Bau- und Erkundungsstopp zu verhängen und die derzeit laufende „vorläufige Sicherheitsanalyse“ nicht fortzuführen. Diese Analyse wird kritisiert, weil die beiteiligten Wissenschaftler als befangen gelten und die Kriterien speziell an die Gegebenheiten in Gorleben angepasst wurden.
An der Frage, ob man sich über das weitere Vorgehen in Gorleben einigt, hängt auch der Konsens über ein neues Verfahren zur Endlagersuche, über den sich Bund und Länder ansonsten weitgehend einig sind (siehe Text unten). „Das Ganze geht nur als Paket“, sagte Ministerin Lemke aus Rheinland-Pfalz. „Es wird kein gemeinsames Gesetz geben ohne eine Lösung für Gorleben.“ Alle Beteiligten zeigten sich aber zuversichtlich, dass man sich bei einem der nächsten Treffen im neuen Jahr einigen werde.
Als mögliche Kompromisslinie deutete Röttgen an, dass sich die weiteren Untersuchungen auf „standortunabhängige Forschung“, also etwa solche zu den generellen Eigenschaften von Salz, beschränken könnten. „Wir sind entschlossen, dass jeder Anschein vermieden werden muss, dass es eine Vorfestlegung auf Gorleben gibt“, sagte der Minister. Er kündigte zudem an, die Haushaltsmittel für die Endlagersuche umzuschichten, sofern Bund und Länder zu einer Einigung kommen. Derzeit sind im Etat für 2012 über 73 Millionen Euro für die Arbeiten in Gorleben vorgesehen, aber nur drei Millionen für mögliche Alternativen.
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, die seit Jahrzehnten gegen den Standort Gorleben kämpft, wertete die Ergebnisse des Treffens skeptisch. „Gorleben ist angezählt, aber keinesfalls aus dem Rennen“, sagte Sprecher Wolfgang Ehmke. Dass der Salzstock im Spiel belassen werde, zeige, dass die Bundesregierung sich nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiere. „Die Argumente, die für die Nicht-Eignung des Salzstocks Gorlebens als atomares Endlager sprechen, sind erdrückend und nicht widerlegbar“, so Ehmke. Kritik äußerte auch die Linke, die an den Verhandlungen nicht beteiligt war. Notwendig sei kein vorläufiger, sondern ein endgültiger Stopp von Gorleben, sagte die atompolitische Sprecherin Dorothee Menzner.
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