Gärtnern wäre auch eine Möglichkeit

POP Qeaux Qeaux Joans – sprich: „Coco Jones“– galt bereits vor zwei Jahren in ihrer niederländischen Heimat als Next Big Thing. Nun erscheint „The Ritual“, ihr zweites Album, und überzeugt mit zeitgemäßem Klangbild

„Jeder wollte ein Stück von dem Kuchen, den ich gebacken hatte“

QEAUX QEAUX JOANS ÜBER IHREN FRÜHEREN ERFOLG IN DEN NIEDERLANDEN

VON THOMAS WINKLER

Musik ist schon eine schöne Sache. Kann man sich mit beschäftigen. Vor allem als Musikerin. Aber, sagt Qeaux Qeaux Joans, Musik ist auch nicht alles. „Musik ist nicht das ganze Leben“, sagt sie. Trinkt einen Schluck Kräutertee. Holt einmal tief Luft. Und erzählt. Von dem Sabbatical, das sie vielleicht demnächst einlegt. Wenn sie nicht doch noch den kürzlichen Umzug nach Berlin wieder rückgängig macht, zurückgeht nach Amsterdam, um eine Zeit lang diese Schule zu besuchen, in der man ganz neue Formen der menschlichen Interaktion erlernen kann. „Vielleicht“, sagt sie, „gehe ich auch nach Palästina oder Syrien und arbeite in der Flüchtlingshilfe.“ Aber, falls es so sein sollte, dass das mit der Musik demnächst eine gewisse, nicht mehr zu ignorierende Eigendynamik entwickelt, dann, sagt Qeaux Qeaux Joans und lächelt milde, „dann nehme ich das natürlich auch gerne mit“.

Man muss sich Qeaux Qeaux Joans nicht nur als sehr gesprächigen, sondern auch als glücklichen Menschen vorstellen. Als Menschen, der es nicht immer leicht hatte, und deshalb umso besser weiß, wie flüchtig und wie wertvoll dieses Glück ist. Als Menschen, der erfahren musste, dass auch das, wozu man geboren ist, nicht immer gut für einen ist, und der deshalb gelernt hat loszulassen.

Doch momentan sieht es nicht danach aus, dass Joans das Leben als Musikerin aufgeben müsste. Denn „The Ritual“, ihr zweites Album, erscheint dieser Tage, und hat nicht nur einige der traurigschönsten Melodien zu bieten, die man in diesem Jahr wird hören dürfen, sondern auch ein Klangbild, das einerseits unglaublich gut in die Zeit passt, andererseits aber noch nicht abgeschmackt ist. Das Klavier, das die mittlerweile 31-jährige Niederländerin in ihrer Kindheit lange studiert hat, verlegt einen funkelnden Perlenteppich, das Schlagzeug dreht große Kreise, Synthesizer setzen kleine schicke Farbtupfer. Joans singt mit einer am Konservatorium ausgebildeten Stimme, die größte Intimität herzustellen und zugleich zur großen Geste auszuholen vermag. Die Stimmung ist stets melancholisch. Die junge Kate Bush und der noch jüngere James Blake dürfen sich sich geehrt fühlen.

Die raumgreifende Melancholie findet ihre Fortsetzung in den Texten. Die handeln vom Vergehen, vom Tod und von Abschieden, vom Verlassenwerden und anderen Schmerzen. Auf der Bühne bricht sie die Beklemmung mit witzigen Geschichten, die sie zwischen den Songs erzählt. „Ich bin kein Comedian“, sagt sie, „aber ich brauche die Witze, weil die Musik schon so intensiv und dramatisch ist.“ Dabei fällt ihr noch ein, so eine Ausbildung zum Clown, das wäre doch auch eine Möglichkeit.

Musik ist eben nicht das ganze Leben für Qeaux Qeaux Joans, die eigentlich Coco Johanna Harmsen heißt und ihren Künstlernamen Coco Jones ausspricht. „Ich will auch noch ein richtiges Leben haben. Ich will nicht eines Tages einen Song über das Leben auf Tour oder über Groupies schreiben müssen.“ Ihre Musik mag das Zeug für den ganz großen Erfolg haben, aber sie will den ganz großen Erfolg nicht.

Von dem hat sie schließlich schon mal eine Ahnung bekommen in den heimischen Niederlanden. Sie berichtet von ihrem 2013 erschienenen, ersten Album „No Man’s Land“, von einer Nummer-eins-Platzierung in den iTunes-Charts, von Fernsehauftritten und vor allem von dem Gefühl, „dass jeder ein Stück wollte von dem Kuchen, den ich gebacken hatte“. Sie erzählt von der Krankheit Borreliose, mit der sie seit ihrer Kindheit kämpft, von einer Stimme, die die mit dem Erfolg einhergehende Dauerbelastung nicht verkraftete, von Zeiten, in denen sie nicht einmal mehr reden konnte.

Sie verkriecht sich daraufhin zwei Monate in ihrer Wohnung in Amsterdam, ihre Band bricht auseinander, sie verarbeitet all das in neuen Songs, die sie, nur unterstützt von ihrem langjährigen Produzenten Reyn Ouwehand, schreibt und aufnimmt – und dann beschließt sie, endlich den lange schon gehegten Wunsch umzusetzen, nach Berlin umzuziehen.

Seit gut einem Jahr lebt sie nun in Berlin, aktuell in Friedrichshain zur Untermiete, sucht aber nach einer eigenen Wohnung, am liebsten in Neukölln. In der Küche sammeln sich die leeren Flaschen in einem Karton vor dem Fenster, auf dem Küchentisch stehen zwei Einmachgläser mit schwarzer Erde, in denen irgendwann mal Ingwer wachsen soll. Gärtnerin? Wäre das nicht auch noch eine Idee, was man mit diesem Leben anfangen könnte?

■ Qeaux Qeaux Joans: „The Ritual“ (Blackbird Music/Soulfood) | Record Release Konzert am 2. April, 20 Uhr, Neue Heimat Friedrichshain