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Archiv-Artikel

Rassisten fühlen sich verunglimpft

Nach dem Überfall auf einen Asylbewerber fragt man sich im niedersächsischen Boizenburg, was gegen rechte Übergriffe getan werden kann. Bei einem Diskussionsabend tauchte jetzt auch NPD-Prominenz auf

Alle Plätze besetzt: An die 300 Menschen haben am Dienstag an der „Andacht gegen Gewalt und Rechtsextremismus“ in der St. Marien-Kirche zu Boizenburg/Elbe teilgenommen. Besinnliche Stimmung herrschte dabei nicht: „Wir befinden uns in einer Kirche“, sagte Pastor Dino Steinbrink zur Eröffnung, „rassistische und antisemitische Äußerungen dulden wir nicht.“ Der Anlass offenbarte sich während der Diskussion im Anschluss: Steinbrink sah sich genötigt, Udo Pastörs, NPD-Fraktionsführer in Mecklenburg-Vorpommern, des Gotteshauses zu verweisen.

Anlass für die Zusammmenkunft war ein rassistisch motivierter Überfall: Am Abend des 25. Novembers wartete ein Asylbewerber am Boizenburger Bahnhof auf ein Taxi, um in die Zentrale Aufnahmestelle im nahe gelegenen Horst zu fahren. „Bist du Ausländer?“, habe ihn zunächst die Frau vom Kiosk gefragt, sagte der 32-Jährige später dem Flüchtlingsrat, worauf er aber nicht geantwortet habe.

Aus einer Gruppe daneben stehender Männer wurde der Kurde daraufhin attackiert. In den Kiosk konnte er sich nicht retten – auch nicht, als bis zu 20 Angreifer auf ihn einschlugen und -traten. Dem Mann gelang die Flucht und er kam für mehrere Tage ins Krankenhaus.

„Im Schatten unserer Kerzen herrscht die Dunkelheit von Gewalt und Hass“, sagte Pastor Steinbrink am Dienstagabend. Einige Boizenburger berichteten von rechten Übergriffen, andere gaben an, „zu lange weggesehen“ zu haben. Zu viel der Betroffenheit offenbar für Pastörs, der sich in seiner NPD-Funktion vorstellte und über die „Asylanten“ und „diesen Bußgottesdienst“ schimpfte. Auch Andreas Theißen, der in der Diskussion seinen Namen nannte, nicht aber sein Amt als NPD-Kreischef, klagte über die „Ausländergewalt“ und behauptete, dass „noch unklar ist, ob es ein rechter Übergriff war“. Pastörs warnte davor, „nur von vermeintlicher rechter Gewalt zu reden“ und beschimpfte Opferberatungen, die „berufsbedingt alles übertreiben müssen“. Die Bitte von Pastor Steinbrink, die Veranstaltung zu verlassen, quittierte Pastörs lächelnd mit den Worten: „Sie haben Menschen verunglimpft.“

Boizenburgs parteiloser Bürgermeister Harald Jäschke bedankte sich gestern öffentlich für die Zivilcourage des Pastors und rief zur Teilnahme an einer Demonstration am Wochenende auf – Motto: „Schluss mit dem Wegschauen“. ANDREAS SPEIT

Demonstration: Samstag, 11 Uhr, Bahnhof Boizenburg