: Ganz große Gesten
POSTROCK Monumentale Klangästhetik: Nach zwölf Jahren Pause gibt es neues Material von den kanadischen Genre-Heroen Godspeed You! Black Emperor
VON BENJAMIN MOLDENHAUER
Alles an dieser Musik ist große Geste. Elegischer Krach, fabriziert mit mindestens drei Gitarren, darüber eine kratzende Violine, die schluchzt, als gebe es kein Morgen. Fieldrecordings und Sprachsamples liefern dazu den politischen Subtext. Es ist eine radikale monumentale Klangästhetik, verdüstert und pathetisch, an der sich die kanadische Band Godspeed You! Black Emperor seit mehr als 20 Jahren abarbeitet.
Man nimmt sich Zeit. Auf den Alben finden sich selten Stücke, die kürzer sind als eine Viertelstunde. Live kann daraus auch mal eine halbe Stunde werden. Geduldig schichten Godspeed You! Black Emperor Klänge über Klänge. Die ersten beiden Alben der Kanadier waren in den 1990er-Jahren deshalb stilbildend für jenes von langen Instrumentalstücken mit aufwühlenden Laut-leise-Dynamiken geprägte Genre, das man kurz zuvor Postrock getauft hatte. Auch weil die Band um das umtriebige Mastermind Efrim Menuck dabei ganz ohne virile und verschwitze Gesten auskommt.
Einen radikalen linken Anspruch haben Godspeed You! Black Emperor auch, wenn es um die Bedingungen geht, unter denen die Musik entsteht. Die Band versteht sich nicht als feste Formation, sondern als Kollektiv mit durchlässigen Grenzen. In den späten 1990er-Jahren war das je nach Zählung neun- bis siebzehnköpfige Unternehmen das Flaggschiff des kanadischen Labels Constellation – eines der letzten, die sich bis heute einen konsequenten DIY-Gestus erhalten haben.
Dessen Gründer kommen aus der Hausbesetzerszene Montreals. Hier setzt man auf Vertrauen untereinander, schriftliche Verträge, so wollen es Gerüchte wissen, gibt es bis heute keine. Auch der Kontakt zum Publikum ist direkt: Wer seine Platten, allesamt liebe- und kunstvoll bis ins Detail gestaltet, beim Label selbst bestellt, bekommt auch eine handschriftliche Dankesnotiz.
Trotz aller Verknüpfungen mit der linken Szene ihrer Heimatstadt, ist der Gestus der Musik von Godspeed You! Black Emperor nicht aktivistisch, sondern von einem ausgeprägten Fatalismus beseelt. Bereits auf dem Debütalbum wurde das ästhetische Konzept 1997 programmatisch festgelegt. Worauf man sich gefasst machen muss, das macht schon der Auftakt klar: Über einen dezenten Drone referiert eine sonore Stimme nüchtern ein formvollendetes Endzeitszenario: „The car’s on fire / and there’s no driver at the wheel / The sewers are all muddied with a thousand lonely suicides / and a dark wind blows“. Es gibt kein Entrinnen: „The government is corrupt / and we’re on so many drugs / with the radio on and the curtains drawn“.
Diese „super-pathetische Gefühlsproduktion“ (Felix Klopotek) aber kann auch ins Leere laufen. Wo mit heiligem Ernst die Apokalypse zelebriert wird, kippt die Veranstaltung, immer wieder mal ins unfreiwillig Komische. Die zehnjährige Pause, die Godspeed You! Black Emperor 2002, kurz bevor die Übersättigung einsetzen konnte, eingelegt haben, hat der Band denn auch gut getan. Das nun erschienene Album „Asunder, Sweet and Other Distress“, auf dem sich erstmals seit 12 Jahren wieder neue Stücke finden, jedenfalls wirkt fokussiert und entschlackt.
Auch Carla Bozulichs Alben erscheinen seit einiger Zeit bei Constellation. Am Dienstag wird sie als Support auf der Bühne stehen. Bozulichs Stücke sind ebenfalls keine Songs im klassischen Sinne. Eher wirken sie wie religiös aufgeladene Exerzitien. Auch hier dreht sich alles ums große Ganze, im Gegensatz zu Godspeed You! Black Emperor kreist Bozulich jedoch um die private Apokalypse, um die geschundene Seele. Auch das kann zu dick aufgetragen wirken. Aber wer sich auf die Intensität der Musik einlassen kann, der kann sich auf etwas gefasst machen!
■ Di, 7. April, 21 Uhr, Markthalle, Hamburg