Der Vollzeitaktivist

LESEN Das E-Book „Mein Name ist Bino Byansi Byakuleka“ blickt mit den Augen eines Flüchtlings auf die Folgen deutscher Asylpolitik

Präzise beschreibt Bwansi, wie er den müden Mitarbeitern des Lageso Fingerabdrücke geben muss

VON SUSANNE MEMARNIA

Viel wissen BerlinerInnen (und Deutsche) in der Regel nicht über Flüchtlinge. Woher auch? Asylbewerber leben in einer anderen Welt: meist in Heimen, ohne Arbeit, sprachlos. Wer Kontakt will zu den Neuen, muss sich schon bemühen; viele wollen nicht.

All jenen, die es wissen möchten, sei das kleine Büchlein „Mein Name ist Bino Byansi Byakuleka“ ans Herz gelegt. Der ugandische Textilkünstler, bekannt geworden als Patras Bwansi vom Oranienplatz, und die Theaterregisseurin Lydia Ziemke beschreiben in zwei Texten auf 70 großzügig layouteten E-Book-Seiten eindrücklich ihr Leben jenseits der Mehrheitsgesellschaft: als Schwarzer, der seit dem ersten Termin mit der Asylbürokratie spürt, dass er nicht willkommen ist, und als linke Künstlerin, die über die Grenzen ihrer Solidarität und Hilfsmöglichkeiten räsonniert.

Politisch aktiver Schüler

Patras Bwansi war eine der Führungsfiguren der Flüchtlingsbewegung vom Oranienplatz: Er konnte den Zorn der Flüchtlinge über die schikanösen Asylgesetze mit am besten formulieren. Und mit der Sprache, schreibt er, fing seine persönliche Protestgeschichte an. Weil er in der Schule in Uganda verbotenerweise seine Muttersprache Luganda spricht anstatt Englisch, wird er beim Schulappell öffentlich gezüchtigt. Doch die autoritären Strukturen können den 1979 Geborenen nicht brechen: Erst recht wird aus Bwansi ein politisch aktiver Schüler, der Ungerechtigkeiten anprangert und Karikaturen seiner Lehrer malt.

Politik und Kunst bleiben die Triebfedern von Bwansis Handeln bis heute. Sein Lebensweg entspricht daher so gar nicht dem hiesigen Klischee vom afrikanischen Flüchtling: Nach der Schule studiert er Kunst und Grafikdesign in Kampala, Ugandas Hauptstadt, nebenher engagiert er sich in der orthodoxen Kirche. 2007 geht er mit einem Ikonografie-Stipendium in ein Kloster nach Griechenland, 2010 fliegt er nach Berlin und beantragt Asyl.

Warum er diesen Schritt geht, wird nicht ganz klar. Zwischen den Zeilen kann man herauslesen, dass er für sich als Aktivist von Rechten sexueller Minderheiten im homophoben Uganda keine Zukunft sah. Doch dieser Grund spielt für ihn wohl keine große Rolle: Bwansi wollte in Deutschland studieren und kam eben her.

Präzise beschreibt er seine ersten Eindrücke von Deutschland: wie er in der Turmstraße den müden Mitarbeitern des Lageso Fingerabdrücke geben muss statt willkommen geheißen zu werden, seine Aufregung auf der nächtlichen Fahrt mit Regionalzügen von Berlin nach Bayern ins „Lager“. Gut nachvollziehbar, nicht zuletzt wegen der eingestreuten Jugenderinnerungen, ist auch sein Weg vom Flüchtling zum „Vollzeitaktivisten“ gegen die aus seiner Sicht unmenschlichen Asylgesetze.

Den Berliner Umgang mit den Flüchtlingen vom Oranienplatz interpretiert Bwansi als eine Politik der absichtlichen Widersprüchlichkeit: Senat und Bezirk (Friedrichshain-Kreuzberg) machten immer wieder Zugeständnisse, wie beim sogenannten Einigungspapier Oranienplatz, um diese anschließend selbst zu blockieren. „So geben sie immer den Anschein, sie machen irgendetwas für die Flüchtlinge, aber gleichzeitig versichern sie der breiten Masse damit, dass die Flüchtlinge ihnen nichts wegnehmen können.“ Auch die Konflikte der Flüchtlinge untereinander spart er nicht aus: mit den Lampedusa-Leuten, die nur Essen und ein Dach über dem Kopf wollen, oder mit jenen, die Bwansi seinen Kampf für die Rechte sexueller Minderheiten übelnehmen. Nicht zuletzt deshalb gründet er 2013 die African Refugees Union (ARU), die sich unter anderem für Homosexuellen-Rechte in Afrika stark macht.

Paradoxien des Helfens

Erfrischend offen sind auch die Gedanken Lydia Ziemkes über „Paradoxien des Helfens“. In ihrer Beschreibung eines missglückten Versuchs, mit einem Flüchtling Freundschaft zu schließen, dürften sich viele LeserInnen mit ihren Zweifeln wiederfinden. Wie weit geht Solidarität, wie viel der eigenen Hilfsbereitschaft ist dem schlechten Gewissen geschuldet – und was echte Zuneigung? Kann Freundschaft unter ungleichen Rechts- und Machtverhältnissen überhaupt gelingen?

Für Ziemke bewahrheitet sich, sie zitiert Hannah Arendt, dass „Nächstenliebe erst dann wirksam werden kann, wenn den Flüchtlingen staatliche Gerechtigkeit widerfahren ist“. Bis dahin aber müssen wir schon selbst dafür sorgen, dass „unsere Werte“ zur Geltung kommen, sagt Ziemke. Dazu müssen wir unsere Angst vor der Begegnung verlieren und lernen, die Individuen hinter dem Klischee „Asylbewerber“ zu sehen. Das Büchlein ist dafür ein guter Anfang.

■ Patras Bwansi, Lydia Ziemke: „Mein Name ist Bino Byansi Byakuleka“. Mikrotext-Verlag, 2015, ISBN 978-3-944543-20-8

■ Die Lesung „Drei E-Books zu Lampedusa, Asyl, Flucht“ mit anschließendem Gespräch findet am 21. April um 20 Uhr in der Lettrétage, Mehringdamm 61 statt