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Öffentlich-rechtlich statt demokratisch?

■ Zum Reden über eine öffentlich-rechtliche Zukunft der Funkmedien / Was für ein Recht ist das eigentlich? / Chance, Vierte Gewalt wirklich zu errichten, darf nicht vertan werden

Die Fernsehmoderatorin strahlt Freude ins Wohnzimmer: „Wir sollen jetzt öffentlich-rechtlich werden.“ Und wie sie so glücklich glänzt, muß man sich mitfreuen, wird schon was Schönes sein. Auch die Volkskammer hat genickt: Rundfunk, Fernsehen und ADN sollen öffentlich-rechtliche Anstalten werden. Ein so oft gebrauchtes Westdeutsch scheint Wundermittel zu sein, und munter plappern Politiker, Journalisten und Medienexperten (wo die wohl auf einmal alle herkommen?) drauf los. Keiner sagt, was es eigentlich sein soll. Ob sie uns überraschen wollen?

Gemeint sind Anstalten des öffentlichen Rechts. (Das populistische „öffentlich-rechtliche Anstalten“ klingt wohl irgendwie besser, so nach Öffentlichkeit und Rechtsstaat.) Öffentliches Recht entstand im Deutschen Recht in den zwanziger Jahren als Zweig, war nach 1933 faktisch tot, wurde dann aber 1948 bis 1949 für den westdeutschen Rundfunk neu entdeckt.

In der DDR erstand das öffentliche Recht nicht wieder auf. Wer also aus Rund- und Fernsehfunk der DDR öffentlich -rechtliche Anstalten machen will, muß schon sagen, auf welcher Grundlage dies konstruiert sein soll. Tut er es nicht, propagiert er praktisch einen Anschluß der DDR -Funkmedien an die BRD entsprechend Paragraph 23 deren Grundgesetzes.

Was also sind nun diese öffentlich-rechtlichen Freiheitsgaranten? Für die Funkanstalten in der BRD kann man es kurzgefaßt so beschreiben: Jede ist mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet. Zumindest teilweise nehmen sie Hoheitsrechte des Staates wahr. Von dessen Bestimmerrecht über Post, Fernmeldewesen und Kulturbetrieb wird per Gründungsgesetz ein wenig auf die Anstalt übertragen.

Vom Normalmodell einer Anstalt des öffentlichen Rechts abweichend, verwaltet diese sich im vom Gesetz gezimmerten Rahmen selbst und unterliegt formal keiner Staatsaufsicht. Auf den ersten Blick scheint das akzeptabel; sich an staatlich deklarierte „Buntheit“ der vergangenen Sendeprogramme traurig erinnernd, sogar ideal.

Aber auch der zweite Blick lohnt. Der BRD-Staat mischt nämlich kräftig mit: Länderparlamente handeln die Rundfunkgesetze aus, Bayern erpreßt die ARD, die zentrale Gewalt bestimmt über den Bau von Sendeanlagen, Gebühren werden per Staatsvertrag verfügt usw. Daneben hocken die den Staat tragenden Parteien, und auch die quatschen den Sendern in Personalpolitik, Programm und Finanzgebaren lautstark rein.

In den Rundfunk- und sonstigen Räten spiegeln sich die parlamentarischen Kräfteverhältnisse, und mit jedem Regierungs- oder Koalitionswechsel funkt es anders. Anstatt Teil der Vierten Gewalt zu sein, um Staat und Parteien auf die Finger zu klopfen, grabbeln diese an Radio- und Fernsehknöpfen.

Wenn man schon nach westdeutschen Mustern neugestalten muß, dann bitte vorher auch deren picklige Mängel betrachten und es besser machen. Vor allem betrifft das die verfassungsmäßig zu garantierende Unabhängigkeit der Funkmedien. Diese muß in der neuen Verfassung (gleich, ob DDR- oder gesamtdeutsche) so formuliert sein, daß durch nachgereichte Rundfunkgesetze keine Unterhöhlung gegraben werden kann. Staatsdiener haben in Rundfunkgremien nichts zu suchen, Steuerfreiheit muß garantiert, der Staat zum kostendeckenden Finanzausgleich verpflichtet, die Verwässerung der Selbstverwaltung durch private Kapitalbeteiligungen unterbunden werden usw.

Der Medienkontrollrat muß jene Kompetenzen erhalten, die bei staatlichen oder parlamentarischen Gremien liegen würden, sollte man westdeutsche Normen übernehmen. Das betrifft die Gebührenfragen, die Lizenzvergabe, den Bau von Sendeanlagen, Kabelnetzen usw. Denkbar wäre das Wirken als zweite Kammer bei allen die Medien betreffenden Gesetzesvorlagen. Dazu aber darf das Gremium nicht zum Miniparlament verkommen, in dem Koalitionen Posten verschieben und mit Geldern manipulieren.

Die Deutschen haben die Chance, erstmals eine tatsächliche Vierte Gewalt, die vom einzigen Souverän, dem Volk, bestimmt wird, zu schaffen. Die Festlegung der Volkskammer, daß im Kontrollrat entsprechend der Zussammensetzung des Runden Tisches außerparlamentarische Kräfte vertreten sein sollen, muß deshalb in die Verfassung übernommen werden.

Jene Parteien, die für Deutschland streiten, auch die SPD haben schon bewiesen, wie sie die Beschlüsse der Übergangsperiode achten (siehe Wahlkampfbeschluß des Runden Tisches). Wenn sie auch den Medienkontrollrat demontieren sollten, bliebe das Zusehen und -hören den kleinen Parteien, den Linken jedweder Farbe. Die schöne deutsche Medienchance wäre vertan.

Claus Frank

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