: Bauer auf der Lauer
■ „Journalisten-Workshop“ im Pressezentrum am vergangenen Freitag / DDR-Publikum war geklatscht
Die Verlagsgruppe Bauer hatte am vergangenen Freitag ausgewählte Gäste in das Internationale Pressezentrum, Mohrenstraße, eingeladen. „Bauer in Aktion“ hieß das Motto. Auf dem Begrüßungskärtchen war Goethe bemüht: „Denn es muß zu Herzen gehen, was von Herzen kommt.“ Es kam nicht und es ging nicht. Es ging in die Hosen.
Gleich zu Anfang hatte der rührige und sehr wachsame PR -Leiter eine Kollegin aus dem Saal gefeuert. Die Journalistin, geschmückt mit dem Ostermarsch-Emblem und entsandt von der DDR-taz, war ja nun wirklich etwas falsch beim Anbieter von 'praline‘ und 'PLAYBOY‘, von 'Wochenend‘ und 'Wiener‘, von 'BRAVO‘ und 'bella‘.
Ob das übrige eingeladene Publikum bei dieser Veranstaltung richtig war, muß bezweifelt werden. Gerd Bolls, Mitglied der Geschäftsleitung der Verlagsgruppe hielt immerhin einen Vortrag über die„Chancen und Risiken im internationalen Mediengeschäft“. Wer konnte da schon mitreden? Die Redakteure von 'Filmspiegel‘ und 'Freie Welt‘, von 'Sibylle‘ und 'Horizont‘ waren leicht benommen von der freundlich vorgetragenen Aggressivität der Bauer-Vertriebspolitik.
Dabei hatte Bolls wirklich Abbitte leisten wollen, um nach dem Aufbau des Pressevertriebs nach bundesdeutschem Muster in der DDR das böse Blut zu beruhigen. Solche Zwangslagen müsse man doch verstehen. Auch der runde Tisch hätte da sehr viel Unverständnis und falsche Emotionen auf DDR-Seite erzeugt.
Aber da sich die Großverlage Bauer, Burda, Gruner + Jahr und Springer nun mal den DDR-Kuchen aufteilen, bleiben sie doch Konkurrenten. Das schließt weitere ätzende Maßnahmen auch gegeneinander nicht aus. Und da mit 'Super TV‘ beim Erfurter Verlags- und Druckhaus Thüringen (früher 'Das Volk‘) ein von burda und Gong getragenes Objekt auf dem Markt sei, hat sich Bauer entschließen müssen, demnächst auch 'TV Hören und Sehen‘ sowie 'Fernsehwoche‘ eins zu eins in der DDR zu verkaufen. Von der 'FF-Dabei‘ wurde schon gar nicht mehr gesprochen.
Als Bolls sein Rednerpult verließ, klatschten zehn Hände Beifall: Sie gehörten den Chefredakteuren von 'Neue Revue‘, von 'bella, kochen & genießen‘, von 'TV Hören und Sehen‘, dem PR-Leiter und einer einzelnen Person im Hintergrund des Saales. Die Mehrheit des Publikums war geklatscht.
Ein Video über die perfekte und glückliche Bauer-Verlags -Familie konnte zwar den hohen technischen Standard von Redaktion, Druck und Vertrieb belegen, mochte aber den im Kulturland DDR großgewordenen Journalisten ob seiner werblichen Vordergründigkeit an dieser Stelle taktlos vorkommen. Warum sind die konservativen Geldleute immer so wenig dezent?
Die Chefredakteure Mahkorn, Pietzker und Paus sowie der PR -Leiter Köster berieten während der „Diskussion“ noch ein paar Wahrheiten: Der 49-Prozent-Einstieg in die Schweriner Volkszeitung geht einher mit dem Aufbau einer eigenen Vertriebsgesellschaft in der DDR. Dafür hätte man im Norden einen Mann gewonnen, der vielleicht nicht den besten Ruf genieße, von dem man aber den sicheren Eindruck hätte, daß „er will“.
Für die Bauer-Personalpolitik sei wichtig, daß man zueinander passe. Dies gelte vor allem im Hamburger Stammhaus des Verlages, wo alljährlich 400 Bewerbungen für die zwei Volontärstellen gesichtet werden: „Gescheite Soziologen und Oberlehrer werfen wir gleich in den Papierkorb“ (Mahkorn).
kpa
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