: Massenhysterie in Südkorea: Das Ende naht
■ Sektenwahnsinn
Sektenwahnsinn
Seoul (AFP) — Tausende Südkoreaner kündigen ihre Jobs, verlassen Haus und Familie. Sie wollen sich freimachen von irdischen Zwängen, um sich auf die Wiederkehr Christi vorzubereiten. Einige Frauen haben sogar abgetrieben, damit ihr Körper nicht zu schwer ist, wenn sie am Tage des Jüngsten Gerichts zu Christus auffahren.
Sie alle sind Anhänger sogenannter eschatologischer Sekten, die das nahe bevorstehende Weltende predigen. Als Datum für dieses Ereignis haben die Sekten die Nacht zum 28.Oktober ausgerechnet. Auf den Straßen Seouls verteilen die „Galilee Evangelical Church“ oder die „Mission for the Coming Day“ Literatur, in der der Weltuntergang genau beschrieben wird: 50 Millionen Menschen werden bei Erdbeben sterben, weitere 50 Millionen bei Verkehrsunfällen. 1,4 Milliarden Erdbewohner werden— so die Propheten des demnächst anstehenden Jüngsten Gerichts — in einem dritten Weltkrieg getötet, nochmal 1,4 Milliarden durch ein weiteres Armageddon, einen mythischen endzeitlichen Krieg. Und die Liste geht noch weiter. Für die meisten evangelischen Kirchen und die römisch-katholische Kirche in Südkorea sind die Angehörigen dieser Sekten Ketzer.
Südkorea gilt unter Religionsexperten als fruchtbarer Boden für religiöse Außenseiter. Als Gründe geben sie die schamanistische Tradition — Schamanen vermitteln nach einem in Zentralasien weit verbreiteten Volksglauben zwischen Mensch und Jenseits — und die entbehrungsreiche Geschichte des Landes während und nach dem Koreakrieg an. Die südkoreanischen Behörden befürchten eine Selbstmordwelle unter den Sektenanhängern nach dem 28.Oktober, wenn Christi Wiederkehr dann mutmaßlich ausgeblieben sein wird.
Eine christliche Radiostation organisierte in der vergangenen Woche ein Treffen, auf dem sich Menschen gegen die Sekten aussprechen konnten. Dort berichtete eine Hausfrau, ihr Ehemann habe seinen einträglichen Job aufgegeben, um sich einer Kirche des Jüngsten Gerichts anzuschließen. Er habe sein Eigentum verkauft, um „eine sichere Fahrkarte“ in den Himmel zu erwerben. Mehr als zwei Dutzend weitere Sprecher erzählten, Angehörige seien diesen Sekten in die Hände gefallen und ihr Leben sei vernichtet.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen