piwik no script img

Im ersten Leben: Hund und Esel

■ Friedrich Karl Waechters „Bremer Stadtmusikanten“ im Theater am Goetheplatz

Er heißt Oliver Utecht, hat nur zwei Beine, dafür auch zwei Arme, ganz normale Ohren und eine menschliche Stimme. Er kommt auf die Bühne barfuß, in Hemd und Hose und lila Jackett, und doch wissen alle Kinder sofort: Das ist der Esel.

Sein Schwanz sind herunterhängende Hosenträger, seine Hufe silbern bemalte Füße und Hände, sein Eselwesen entsteht ganz zwanglos durch langsame und eckige Kopfbewegungen, wobei die Hemdkragen zu Eselsohren werden. Ein I-A braucht's da nicht. Man hat den Schauspieler verzaubert. In den würdigsten der Bremer Stadtmusikanten.

Aber auch sein Kollege Uwe Petersen scheint in seinem früheren Leben ein Hund gewesen zu sein. So unterwürfig-genervt rollt er mit den rotgeränderten Augen, wenn sein Herr ihn beschimpft, so freudig-hechelnd springt er auf, sobald er Grund hat, an seine alte Kampfkraft zu glauben. Wenn er sich mit dem arroganten Hahn (Marlene Sevke) streitet, wenn er die süße Katze (Claudia Drews) angeberisch umschmeichelt, dann läßt er sein Lieblingswort los: „Verstehste?!“ — und die Kinder mögen ihn und wiederholen immer laut: „Verstehste? Es soll ein guter Wind in Bremen gehen. Verstehste?“

Die vier von den Menschen verstoßenen Tiere, die in Bremen „etwas Besseres als den Tod“ finden wollen, kämpfen sich durch das karge Bühnenbild von Sabine Pinsker, dessen Boden sich durch Herausnahme von Brettern in einen Sumpf oder tiefen Wald verwandelt.

Verfolgt werden sie von ihren ehemaligen Besitzern, die zu bösen Geistern werden und schließlich zu den Räubern im Räuberheim, das den vier Musikanten zum Bremen wird, zum Ort „wo es uns gutgeht“.

Mögen sie dort auch gut aufgehoben sein, in der Inszenierung von Franz Peschkeim Goethetheater sind sie es nur zum Teil. Es ist alles so grau und so überaus sparsam auf der Bühne eingerichtet. Die Musik von Roger Janotta hat sich allzusehr der Altersmüdigkeit der vier Stadtmusikanten angepaßt, keine Tonfolge bleibt hängen, auch in den Ohren der Kinder nicht, die doch Wiederholungen begierig aufgreifen. Da kann auch die manchmal ganz peppige Choreographie von Puck Oosthoek nicht mehr allzu viel rausholen.

Der Text schließlich, den die vier tierseligen und die vier menschenscheußlichen SchauspielerInnen zu sprechen haben: Ihm ist nicht anzumerken, daß er vom lustigen, bissigen Zeichner F. K. Waechter kommt. Brav ist er, langatmig, und in den Liedern heißte es Reim-dich-oder-ich-freß-dich. Die Kinder allerdings gaben fröhlichsten Beifall, und so soll es denn gut sein.

Ein arges Ärgernis aber sei zum Schluß noch angemerkt: Warum sehen die vier Räuber, die ihre diebesgeilen Lieder singen und zu Recht vertrieben werden, warum sehen sie aus und warumsprechen sie wie Karikaturen von orthodoxen Juden? Für diese billige Reminiszenz gibt es keine Rechtfertigung. Verstehste! Cornelia Kurth

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen