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Zum Licht der Ile de France

■ Otto Greis zum 80. Geburtstag: Galerie Katrin Rabus präsentiert die jüngste Wende des großen Lichtforschers

„Was mir vorschwebt, ist stets das Maß zu finden für eine Harmonie, um mit dieser konkreten Metrik die Welt einer Verzauberung anzurufen.“ Ein angestaubter Satz aus längst vergangenen Tagen. Kein Wunder, er stammt von dem Maler Otto Greis, und der wird dieses Jahr 80 und hat das programmatisch gemeint. Ein Satz, der Kompromißlosigkeit signalisiert und eine unbedingte Absage an Moden. Greis ist ein strenger Maler, der in seiner Arbeit jeden Pinselstrich ernst nimmt. Einer der ausgestorbenen Art, die ein ganz bestimmtes Licht braucht, um arbeiten zu können, und dafür 3.000 km reist. Seine Bremer Galeristin schickt hoffnungsfrohen Nachwuchs zu Otto Greis, damit sie wenigstens einmal einen „richtigen Maler“ kennenlernen. Katrin Rabus ehrt Greis zum Geburtstag mit einer Ausstellung, die natürlich vermächtnishafte Dimensionen hat.

Daß Greis ein Lichtforscher ist, leuchtet vor seinen acht neuen großen Bildern sofort ein: Breite Bahnen unglaublich heller Farben legen sich über den Malgrund, wie Löschpapier haben sie die Ahnung irgendeines mediterranen Lichts aufgenommen, einen Hauch Rosa, viel Gelb, fast kein Grün. Gar kein Dunkel. Die Lichtbahnen organisieren sich zu Bögen und Geraden, und das war noch einmal ein kräftiger und später Schub im Oeuvre des Meisters - liebte er doch seit den 60ern nicht mehr die Form. Otto Greis, der Name stand 30 Jahre lang für empfindsame Lichtbündel, farbige Nebel und Schleier. Deshalb markiert die Ausstellung in der Galerie Katrin Rabus auch einen Wendepunkt.

Die künstlerische Entwicklung von Greis begann aber eigentlich erst nach dem Krieg: 1952 war er Teilnehmer einer legendären Ausstellung, die den Start des „Deutschen Informel“ kennzeichnete: die Frankfurter „Quadriga-Ausstellung“. Greis, der sich zunächst voll mit dem neuen Stil identifizerte, brach allerdings gründlich mit dem Informel — und zog vom Main an die Seine. Stand in seiner Heimat das Land voller grüner Bäume, erlebte er in der Nähe von Paris, am Mittelmeer (und später in Südspanien) ganz andere und ungleich inspirierendere Lichtphänomene; die Ile de France hatte ja auch die Impressionisten zahlreich angezogen. Wichtiger noch: Das Deutschland der 50er Jahre war für aktuelle Künstler ein trauriges Pflaster: Paris war das Zentrum der Malerei.

Heute wird Greis wegen der meisterhaften Synthese von Licht und Farbe von Kunstkritikern gern mit Cezanne verglichen. Uwe Wieczorek fand einen Satz Kandinskys über Cezanne, den er auch auf Greis anwenden will: „Nicht eine Landschaft, nicht ein Gebirge, nicht ein Gestein werden dargestellt, sondern das alles wird gebraucht zur Bildung einer innerlich malerisch klingenden Sache, die Bild heißt.“ Bus

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