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Verantwortungslose Werbung

■ betr.: "Wackelkontakt mit der Wirklichkeit", taz vom 19.6.93

betr.: „Wackelkontakt mit der Wirklichkeit“, taz vom 19.6.93

Es ist schon erstaunlich, daß sich die taz neuerdings zum Organ eines verantwortungslosen bis skandalösen Journalismus machen läßt. Jedenfalls geht Katharina Rutschkys Text jegliches Ethos namens „journalistische Sorgfaltspflicht“ ab. „JournalistInnen“ ihres Typs ersetzen saubere Recherche zunehmend durch eine schein-libertäre und billig-kritische Schreibe. Denn Rutschky hat offensichtlich keine Ahnung von dem, worüber sie schreibt! Ich wage das zu behaupten, weil ich den Fall, um den es geht, zufällig sehr genau kenne.

Die Autorin hat nämlich von zwei für die Sache entscheidenden Fakten offenbar keine Kenntnis: Erstens ist sie auf die Darstellung des Mißbrauch-Falles durch den Buchverfasser „Woody Müller“ voll hereingefallen. Sie hatte es deshalb auch nicht nötig, sich darüber kundig zu machen, wie gut der Mißbrauchs-Vorwurf in diesem Falle (gerade durch Fakten) begründet ist; statt dessen solidarisiert sie sich blind mit dem „Verfolgten“ – eine beliebte, weil billige „Intellektuellen“-Gebärde. Zum zweiten hat Rutschky offensichtlich keinen Schimmer von dem, was in den Verlagen vor der Ablehnung des Buchmanuskripts passiert ist, daß es sich die Verlage durchaus nicht leicht gemacht haben bei der Ablehnung des Textes. Von Ferne findet sie es aber jedenfalls schlimm, daß niemand das Manuskript drucken will und so übernimmt sie selbst (ganz offen) die Werbung für ein Manuskript, dessen Inhalt sie anscheinend auch nicht richtig kennt, geschweige denn seinen Realitätsgehalt (sonst hätte sie ihm keine „hohe Dosis von Vernunft“ attestiert; der Text trieft vielmehr vor stimmungsmachender Einbindung der LeserInnen und ist zudem voller Falschdarstellungen; aber über solche Kleinigkeiten kann die gestelzte Schreibe einer K.R. natürlich locker hinweggehen). Daß Katharina Rutschky keine bessere Journalistin ist, kann man nur bedauern; daß die taz aber solches Zeug derart unkritisch bzw. ungeprüft bringt, finde ich fatal. [...] Thomas Schäfer,

Rundfunkjournalist, Berlin

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