: Blue Mood
■ William Kentridge, Regisseur der Handspring Puppet Co., im Gespräch
taz: Nach ihrem erfolgreichen Gastspiel mit „Woyzeck On The Highveld“ beim Theater der Welt zeigen Sie ihre Adaption für Puppen, Schauspieler und Video-Animation ab heute beim Sommertheater. Wie kam es zu der Idee, einen südafrikanischen Woyzeck zu spielen?
Kentridge: Das Stück untersucht, wie eine Situation extremer Gewalt entsteht, und das korrespondiert genau mit der gewaltätigen Situation, die wir im Moment in Südafrika haben. Aber auch die fragmentarische Form des Stückes reizte uns. Durch die vielen kurzen Szenen ist es außerdem sehr gut für ein Puppentheater übertragbar.
taz: Wo haben Sie gestrichen?
Kentridge: Wir haben an Woyzecks Text wenig, beim Doktor und beim Hauptmann viel gestrichen. Aber vieles von dem, was bei Büchner tief in der deutschen Tradition verankert ist, haben wir nicht als Text übernommen, sondern es in Bilder übersetzt, die von der Animation und den Puppen dargestellt werden.
taz: Die Inszenierung hat einen sehr melancholischen Grundton.
Kentridge: Als wir begannen, hatten wir kein Programm, wie das Stück zu werden hatte. Als die Produktion fertig war, stellten wir fest, daß eine sehr persönliche Sicht von Woyzeck entstanden war.
taz: Stehen die Puppen für bekannte südafrikanische Personen?
Kentridge: Nein. Der Charakter des Woyzeck basiert auf einem Tramp, von dem ich Zeichnungen gemacht habe. Die anderen Personen sind von Goya entlehnt. Der Doktor ist inspiriert von einer August Sander-Fotografie.
taz: Haben Sie ein besodernes Verhältnis zu Deutschland?
Kentridge: Mein Verhältnis zu Deutschland ist geprägt von der Avantgarde-Kunst der 20er Jahre. Und dieses Interesse kommt sicherlich auch daher, daß in Südafrika eine Situation haben, wo sich Künstler fragen müssen, wie gehe ich mit meiner Kunst in einer Zeit um, die derartig von politischen Dingen im alltäglichen Leben geprägt ist. Daher das historische Interesse, zu sehen, wie diese Leute mit demselben Problem umgegangen sind.
taz: Wie hat sich die Arbeit im südafrikanischen Theater mit dem Wandel in der Politk verändert?
Kentridge: Man muß sehen, daß es zwar einen ungeheuren politischen Wandel gibt, aber gleichzeit einen enormen Anstieg von Gewalt. Dennoch ist der erstaunliche Effekt beim Publikum, daß sie sich durch den Wandel dafür entschuldigt fühlen, nun kein politisches Theater mehr anzusehen. Aber für Leute die dort im Theater arbeiten sind politsche Dinge eher wichtiger als nebensächlicher geworden. Ein fatales Mißverhältnis.
taz: Wie verhält es sich mit der Zusammenarbeit von Schwarzen und Weissen im Theater jetzt?
Kentridge: Selbst in den Jahren der höchsten Repression gab es exzellente Zusammenarbeit in gemischten Companies und das gibt es immer noch. Aber es würde mich nicht überraschen, wenn demnächst eine Polarisation entsteht.
taz: Suchen Sie mit ihrer Arbeit die politische Stellungnahme?
Kentridge: Nein. Man kommt nicht daran vorbei, daß Politik momentan ungemein widersprüchlich und unscharf ist. Politisches Theater aber hat eine klare Argumentation, und das ist inzwischen ohne Fühlung zur realen politischen Situation. Ich möchte daher lieber den Entwurf für etwas darstellen, was am Ende des momentanen Prozesses stehen kann, als ein Programm für den Weg dorthin zu formulieren. Fragen: Till Briegleb
21. bis 24.7., Halle 2
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