piwik no script img

„Ich versuche, möglichst unauffällig zu sein“

■ Gespräch mit einem von einem Polizeiangriff betroffenen Migranten

taz: Welche Erfahrunghatten sie mit der Frankfurter Polizei?

Betroffener Migrant: Ich saß an einem warmen Abend mit Freunden auf einem Platz in der Stadt. Kurz vor Mitternacht fuhren zwei Polizeiwagen auf uns zu, vier Polizisten stiegen aus und wollten unsere Ausweise sehen und uns kontrollieren. Wir ließen alles mit uns machen, wollten aber den Grund dafür wissen. Statt uns zu antworten, forderten sie uns auf, ruhig zu sein. Da ich nur meinen Führerschein und nicht meinen Paß dabeihatte, nahmen sie mich mit. Sie legten mir die Arme nach hinten und fesselten meine Hände. Ich mußte mit zwei Polizisten in ein Auto steigen und dachte, daß sie mich auf die Wache bringen. Schnell merkte ich aber, daß die Reise woanders hinging. Der Polizist am Steuer hielt sich zurück, der andere dirigierte ihn stadtauswärts und beschimpfte mich die ganze Zeit mit „Scheißkanake“. Ich bekam große Angst. Das Sitzen mit den Handen in Handschellen auf dem Rücken schmerzhaft war. An einer Kläranlage hielt das Auto, und der Fahrer machte das Licht aus. Ich weigerte mich auszusteigen, aber sie zerrten mich heraus, nahmen mir die Fesseln ab und drückten mich mit den Händen über dem Kopf gegen das Auto. Der, der gefahren war, hielt eine Taschenlampe auf mich gerichtet, und der andere beschimpfte mich mit ausländerfeindlichen Sprüchen, hetzte gegen Türken und drohte mir sogar mit dem Tod: „Eine Kugel liegt schon für dich bereit.“ Dabei drehte er mich um, so daß ich ihm mit erhobenen Händen ins Gesicht gucken mußte. Ich konzentrierte mich nur darauf, ruhig zu bleiben und das Geschimpfe über mich ergehen zu lassen. Irgendwann drehte er mich wieder um und begann mich zu verprügeln, boxte mir in die Rippen, schlug mit etwas sehr Hartem auf meinen Rücken und trat mir gegen die Beine, so daß ich umfiel. Auf dem Boden kniete er sich auf mich und versuchte mich zu würgen. In totaler Panik riß ich mich los und rannte um mein Leben. Ich weiß nicht, ob sie mich verfolgten, aber sie schrien: „Wir kriegen dich noch.“

Wie sind Sie mit diesem Erlebnis umgegangen?

Zuerst war ich gleich beim Arzt, um mich untersuchen zu lassen, und dort habe ich auch ein Attest für die Verletzungen bekommen. Zum Glück waren es nur Prellungen und Schürfungen, es war nichts gebrochen. Dann habe ich mit meinen Freunden darüber gesprochen, und wir sind zu einem Rechtsanwalt gegangen. Wir haben eine Strafanzeige gegen die Polizisten aufgegeben.

Glauben Sie denn nach dieser Erfahrung mit der Polizei noch an Recht und Gesetz?

Ich weiß nicht genau, das Ganze ist vor zwei Monaten passiert. Bis jetzt hat sich noch nichts getan. Ich weiß auch nicht, ob die Polizisten schon identifiziert worden sind und ob sie nicht sowieso alles abstreiten. Dann steht Aussage gegen Aussage. Und daß ein Polizistenwort mehr gilt, das ist wohl überall so. Ich persönlich bin mißtrauisch, habe schon Angst, wenn ich sie nur vorbeifahren sehe. Ich versuche, möglichst unauffällig zu sein, und trage jetzt immer alle Papier bei mir. Aber auch wenn die Anzeige wegen Mangel an Beweisen eingestellt wird, habe ich das Gefühl, etwas dagegen getan zu haben. Alle, denen so etwas passiert, sollten Anzeige erstatten und es an die Öffentlichkeit bringen. So fühlt sich die Polizei vielleicht kontrolliert.

Sie versuchen unauffällig zu sein. Glauben Sie, daß dies ein Schutz vor solchen Übergriffen ist?

Nein, das glaube ich nicht. Ich war ja auch nicht auffällig, als es passiert ist. Aber südländisches Aussehen und krause Haare reichen schon, um der Polizei aufzufallen. Unauffällig sein, heißt, die Innenstadt und das Bahnhofsviertel zu meiden, da, wo viel kontrolliert wird. Und vor allem nicht mit anderen, die so aussehen wie ich, irgendwo „untätig“ rumzusitzen. Interview: Isabel Nieto

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen