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Keine Katastrophe für Europa

betr.: „Oui zur Demokratie. Non zur Verfassung“, „Ein Beben von ganz unten“ u. a., taz vom 31. 5. 05

Gratulation den Französinnen und Franzosen für dieses mutige Votum. Als Niederlage oder Katastrophe für Europa sehe ich das nicht. Dieses Votum ist die folgerichtige Reaktion darauf, dass Europa bisher lediglich ein großer Spielplatz für Global Player und solche, die es gern wären, ist. Ein Europa der Menschen, der Menschlichkeit und des Ja zu einem besseren Miteinander-Leben und Probleme-Lösen ist es noch lange nicht. Dies sehe ich alleine schon darin bestätigt, dass neun europäische Länder keine Volksabstimmung zuließen, sondern die Regierungen über die Köpfe der BürgerInnen hinweg entschieden haben.

Von wegen Menschenrechte und Umweltschutz, wenn quasi im klein Gedruckten alles illegal ist, was dem freien Kapital- und Warenverkehr, also letztendlich der Wirtschaft, hinderlich ist. Hier beschleicht einen der Verdacht, dass französische BürgerInnen dieses Papier genauer gelesen haben als manche Politiker, die bereits darüber abgestimmt haben. FLORIAN BERGER, Eichenau

Endlich wurde der Hybris der europäischen Regierungen ein Dämpfer erteilt. Seit Jahren wird national und europaweit gegen das Volk regiert – nicht unwissend, nein, die Regierungen wissen ganz genau, dass sie explizit gegen die Mehrheitsmeinung ihrer Bevölkerung die EU rasant erweitern, zum sogenannten „Kampf gegen den Terror“ in fremde Länder einmarschieren und den kapitalistischen Heuschreckenplagen alle Tore (sprich: Gesetze) öffnen. Und nun werden in den meisten Ländern des „alten“ und „neuen“ Europas noch nicht einmal Referenden für nötig befunden, diese neoliberale, nur auf Wirtschaftsfreiheit und Militarismus orientierte Politik, die Europa für alle Zeit verändern wird, dem Volk zur Abstimmung freizugeben. Ich bin überzeugt, in Deutschland würden mindestens so viele Verfassungsgegner zu finden sein wie in Frankreich oder Holland. Hat man uns deswegen nicht gefragt? ELKE RICHARDSEN, Berlin

Die Franzosen haben den Esel gemeint und den Sack geschlagen. Sie wollten ihre politische Elite abstrafen und haben aber stattdessen die EU in eine Krise gestürzt. Ironischerweise hätte genau die nun abgelehnte EU-Verfassung die Forderungen der Gegner in vielen Bereichen erfüllt. Nun, das Volk ist der Souverän und hat entschieden. Es war eine Protestwahl gegen das herrschende politische Establishment, doch trotzdem ist das Abstimmungsergebnis demokratisch zu akzeptieren, obwohl die Umstände sehr unglücklich gewesen sind. Die Verantwortung für diese Niederlage ist vor allem bei Präsident Chirac und seiner Entourage zu sehen.

PASCAL MERZ, Littau, Schweiz

Das Nein der Franzosen zur EU-Verfassung bedeutet keine Krise in der Europäischen Union, sondern lediglich eine Ohrfeige für die französischen Politiker, die vieles über die Köpfe ihres Volkes hinweg bestimmen und bürokratisch regeln wollen. In Deutschland gibt es diese demokratische Ventilfunktion leider nicht. Dabei ist die Unfähigkeit unserer Parteien und Politiker nicht geringer als im Nachbarland. Gäbe es in Deutschland mehr Demokratie und Mitbestimmung für das Volk, wäre ein deutsches Nein zur EU-Verfassung bei einer Volksabstimmung auch möglich gewesen, wenn man den Umfragen Glauben schenken darf.

ALBERT ALTEN, Wernigerode

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