: Gatt: Gegenseitige Drohungen
■ Kolumbien versucht einen Kompromiß in der Dienstleistungsfrage / EG zu Zugeständnissen in der Agrarfrage bereit? / Junktim zwischen GATT und Schuldenverhandlungen gefordert
Von Ulli Kulke
Berlin (taz) -Die Sonntagsreden der Eröffnung sind verhallt bei der GATT–Ministerkonferenz über die Beseitigung von Zöllen und Protektionismus im uruguayischen Punta del Este. Jetzt wird mit harten Bandagen gekämpft, einzelne Delegationen drohen sich gegenseitig gar mit Auszug aus der Konferenz. Es geht um die Tagesordnung einer neuen, auf einige Jahre angesetzten GATT–Verhandlungsrunde, die demnächst anlaufen soll. Ein Vertreter der brasilianischen Delegation deutete an, daß sein Land den Tagungsort verlassen würde, wenn sich die USA mit ihrem Verlangen durchsetzten, den freien Verkehr des computerisierten Dienstleistungssektors auf die Tagesordnung zu setzen. Mit Indien zusammen bildet Brasilien in dieser Frage die „hardliner“–Gruppe gegen die Behandlung dieses Punktes. Die Delegation Kolumbiens hatte zuvor einen Kompromißversuch gestartet: Die Dienstleistungen sollten „unter Aufsicht der GATT– Welthandelsrunde“, aber abgetrennt von den anderen Beratungen über Agrarsubventionen und Textilimporte behandelt werden. Beobachter vermuten, daß dieses Thema mit Zustimmung auch der Drittweltländer im Rahmen der UNCTAD auf die Tagesordnung kommen könnte. Bereits im Vorfeld der GATT–Tagung hatten die USA ihrerseits angedeutet, daß sie aus Punta del Este abreisen, „und sich künftig auf Verteidigung ihrer eigenen Interessen konzentrieren würden“, wenn die Dienstleistungen kein Thema würden. Für Bundeswirtschaftsminister Bangemann „dramatisieren“ sich jetzt die Verhandlungen. Die EG–Staaten sind insbesondere unter Beschuß der anderen Delegationen wegen ihrer Agrarsubventionen, mit denen sie ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf dem Weltmarkt billig anbieten und andere traditionelle Anbieter, v. a. auch Drittwelt–Länder, vom Markt verdrängen. Auf Drängen Frankreichs hatte die EG bei den Vorbereitungsverhandlungen eine Beschlußempfehlung, die diese Praxis verurteilt, nicht unterstützt. Der brasilianische Außenminister Roberto Sodre brachte eine neue Dimension in die Verhandlungen über die Tagesordnung. Er forderte für die lateinamerikanischen Staaten ein Junktim zwischen den Verhandlungen über den freien Zugang zu den Märkten der Industrienationen und denen über die Rückzahlung ihrer Auslandsschulden: Man könne nicht bezahlen, wenn man nichts exportiert.
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