piwik no script img

Grüne triumphieren - SPD am Boden zerstört

■ Einzug von 15 Grünen ins Maximilianeum: „Offene und harte Opposition“ angekündigt / Nach SPD–Fiasko setzt Rau „aufs Ganze“ / Liberale weiter draußen

Von L. Koch und B. Siegler

München (taz) - Die Grünen sind - mit 15 Abgeordneten - endlich im Landtag, die CSU liegt über ihrer „heiligen Zahl“ von 55 % und die SPD mußte mit 27,5 % die schwerste Wahlschlappe im Freistaat in der Nachkriegsgeschichte einstecken. Den bayerischen Liberalen war auch diesmal die 5 %–Hürde bei weitem zu hoch, und die rechtslastigen Republikaner erzielten erschreckende drei Prozent und knüpften in manchen Städten beinahe nahtlos an die Ergebnisse der NPD in den 60er Jahren an. Fast 30 % der bayerischen Wähler nahmen den CSU–Wahlslogan „Sommer, Sonne, Bayern“ ernst und fanden den Weg ins Wahllokal nicht. Die Wahlbeteiligung von 70,3 % gegenüber 78 % bei der letzten Wahl verursachte den Einbruch bei den Sozialdemokraten, die v.a. in Großstädten Verluste hinnehmen mußten. In München und Nürnberg gingen alle Direktmandate verloren, lediglich in Fürth und Schwandorf brachte die SPD ihre Direktkandidaten durch. „80 % unserer Verluste gehen auf das Konto der Nichtwähler“, analysierte der enttäuschte SPD–Landesvorsit zende Rudi Schöfberger, der seinen Rücktritt anbot. 340.000 potentielle SPD–Wähler blieben zu Hause. Über 60.000 SPD–Wähler wanderten zu den bayerischen Grünen ab, die 7,5 % erzielten. „Mit einem derartigen Ergebnis hat keiner von uns gerechnet“, freute sich Landesvorstandssprecherin Ulrike Windsperger. Vor allem in den Großstädten (München 13,3 %, Nürnberg 9,7 %, Erlangen 11,7 %, Regensburg 9,7 %), in überwiegend katholischen und ländlichen Regionen legten die Grünen überdurchschnittlich zu. Im Landkreis Schwandorf erhielten die Grünen müde 5,9 %. Für die CSU kam es dort zum erwarteten Einbruch. Nicht einmal die Optimisten bei der SPD hatten jedoch damit gerechnet, daß ihr Kandidat Dietmar Zierer mit 53,2 % bei den Erststimmen seinen CSU– Kontrahenten Humbs (33,9 %) um Längen schlug und das Direktmandat gewann. Fortsetzung auf Seite 2 Tagesthema S.3 Kommentar S.4 Obwohl die CSU 2,5 % gegenüber dem Vorjahr verloren hatte, zeigte sich Ministerpräsident Franz–Josef Strauß in der Pose des strahlenden Siegers. Er zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Es sei ein „triumphaler Erfolg“ und ein „positives Signal“ für die Bundestagswahl. „Die CSU wird den Wahlkampf sehr bald wieder aufnehmen und um jede Stimme kämpfen.“ Ebendies will auch der Kanzlerkandidat der SPD, Johannes Rau. Seine Strategie für die Bundestagswahl will er nicht ändern. „Ich setze aufs Ganze“, erklärte Rau am Montag in Bonn. Am Wahlergebnis von Bayern gebe es nichts zu deuteln, meinte er, Rau, es sei der Wahlerfolg eines Mannes, nämlich von Franz Josef Strauß, und Bundeskanzler Helmut Kohl sei „nicht annähernd von vergleichbarer politischer Statur“ wie Strauß. Unterdessen hat der bayerische SPD–Landesvorstand am Montag seinem Vorsitzenden Schöfberger und dem Spitzenkandidaten Hiersemann einstimmig das Vertrauen ausgesprochen. Nach einer Sitzung des Führungsgremiums wurde Journalisten am Montag in München mitgeteilt, Hiersemann sei mit lang anhaltendem Applaus für seinen „enormen Wahlkampf einsatz“ gedankt worden. Beide machten für den Stimmenverlust der SPD die geringe Wahlbeteiligung, die Themen Asylrecht und Neue Heimat, mangelnden Kontakt zur Jugend und dramatische Einbußen in den Großstädten verantwortlich. CDU–Generalsekretär Geißler wertete das Abschneiden der CSU als ein „tragfähiges und gutes Fundament für den Bundestagswahlkampf, den CDU und CSU gemeinsam führen werden“. Das Wahlergebnis beweise, daß die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung „der Union und nicht den Sozialdemokraten die Kompetenz für die Gestaltung der Zukunft zuweist“. Die „katastrophale Niederlage der SPD“ sei gleichzeitig das endgültige Scheitern der Wahlkampfstrategie ihres Kandidaten Rau. Mit ihrem Phantomziel der absoluten Mehrheit bei der Bundestagswahl wolle die SPD von der Tatsache ablenken, daß sie nur mit den Grünen an die Macht kommen könne. Deren Vorstandssprecher Lukas Beckmann griff den Ball auf: „Es ist uns gelungen Kulturschranken zu durchbrechen und die eigene Basis zu erweitern. Gewonnen haben weder Realos, noch Fundis sondern die Grünen.“ Und Jutta Ditfurth ergänzte: „Ohne die gesamte Breite des Widerstands gegen die WAA wäre der Erfolg der Grünen nicht denkbar.“ PARTEIEN LANDTAG 86 LANDTAG 82 BUND 83 ProzenteSitze ProzenteSitze Prozent CSU 55,8 %128 58,3 %133 59,5 % SPD 27,5 %61 31,9 %71 28,9 % GRÜNE 7,5 %15 4,6 %– 4,7 % FDP 3,8 %– 3,5 %– 6,2 %

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen